Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2018
/ Ausgabe: 08-Protokoll-Sonder-17.09.2018.pdf
- S.17
Suchen und Blättern in über 500 PDFs und 44.000 Seiten.
Gesamter Text dieser Seite:
- 497 -
Das sind die Menschen, die im Alter wegziehen müssen, weil sie sich einfach hier
kein Wohnen mehr leisten können. Da verstehe ich das Argument "unsere BürgerInnen" nicht! Nein, das sind nicht die, die besitzen, sondern es sind die, die vertrieben
werden.
Ich gehöre zu den Privilegierten, denn ich
habe mir vor sieben Jahren eine Wohnung
gekauft. Mein Schwiegervater hat mit einem
Gehalt drei Kinder großgezogen und sich
Mitte der 1970er Jahre in der Höttinger Au
eine Wohnung mit ca. 100 m2 gekauft. Mit
einem Gehalt und Wohnbauförderung
konnte er das relativ einfach abbezahlen,
eine Frau ernähren und drei Kinder großziehen.
Ich kann mich noch erinnern, in unserer Generation war das wesentlich anders. Für
meinen Schwager mit überdurchschnittlichem Gehalt und dessen Frau, einer Lehrerin, ist sich der Kauf einer Wohnung in der
Stadt Innsbruck nicht mehr ausgegangen,
da sie zwei Kinder planten. Deshalb ist er
mit seiner Familie nach Zirl abgewandert.
Ich habe mich für Kinderlosigkeit entschieden, das finde ich auch legitim. Der Kauf einer Wohnung ist sich hier vor sieben Jahren
gerade noch ausgegangen.
Derselbe Bauträger baut momentan zwei
Straßen weiter. Da habe ich mir angesehen,
was diese Wohnungen heute kosten. Es
gibt welche, die um 5 m2 kleiner sind als
meine und € 100.000,-- mehr kosten als vor
sieben Jahren.
Das ist das Problem! Diese Gewinnspanne
ist explodiert! Mit jedem Prozent, mit dem
sich die Steigerung der Wohnkosten von
der Steigerung, die das Einkommen mitmacht, entfernt, wird eine neue Gruppe von
Menschen aus der Stadt vertrieben.
Wir werden zwei Entwicklungen haben. Die
erste ist die Einbuße von Lebensqualität. Im
19. Jahrhundert gab es in Wien Hausierer,
die teilweise nur ein Bett für einen halben
Tag mieteten. Sie haben schichtweise geschlafen, denn während der Industrialisierung hat es in Wien eine so starke Zuwanderung gegeben. Wer denkt, das war einmal, der braucht sich nur die Situation von
Menschen in Tokio ansehen!
(GR Depaoli: Wir sind ja in Innsbruck und
nicht in Tokio!)
Sonder-GR-Sitzung 17.09.2018
Man muss sehen, wohin das führt! Das zur
Sache, damit man weiß, was der freie Markt
erreicht! (Unruhe im Saal)
Es gibt Menschen, die um € 20,-- pro Tag
eine Zelle von 2 m2 in einem Internet-Cafe
mieten. Es sind Menschen über 40 Jahre,
die hoffen, dass sie es irgendwann schaffen, so viel anzusparen, dass sie sich eine
Wohnung kaufen können. Es sind Leute, die
Vollzeit arbeiten. Sie wohnen auf 2 m2!
Dass sich da eine Familie natürlich nicht
ausgeht, das ist klar.
Das ist ein Beispiel dafür, wohin die Situation am Wohnungsmarkt führen kann. Das
wird in Zukunft nicht anders sein als im
19. Jahrhundert. Wir haben aber die
Chance, wenn wir die uneingeschränkte
Profitsucht regulieren, das zu vermeiden.
Ich möchte noch auf die Zuwanderung eingehen. Man glaubt, wir hätten eine so
wahnsinnig hohe Zuwanderung. Der Urbanisierungsprozess ist ein weltweiter. Alle WissenschaftlerInnen sagen, dass er auch nicht
zu verhindern ist. Es ist für Menschen einfach attraktiv in Städten zu wohnen. Es gibt
viel mehr Bildungs-, Kultur- oder Gesundheitsangebote.
Die Menschen haben das Recht zu wählen,
ob sie in der Stadt oder auf dem Land wohnen wollen. Ich verstehe, dass Sie das regulieren wollen. Das Problem dabei ist aber,
dass ich noch nie eine gesetzliche Grundlage dafür angeboten bekommen habe, auf
der wir das begründen könnten.
Auch die Illusion, es würde alles explodieren, die stimmt nicht. Österreich ist derzeit
bereits bei 66 % Urbanisierung, Deutschland bei 75 % und alle Prognosen sagen,
dass sich das bis zum Jahr 2050 reguliert
haben wird. In Österreich wird es dann
wahrscheinlich bei 75 % bleiben. Das ist
ganz etwas anderes als die großen Metropolen weltweit, die ja wirklich explosionsartig wachsen.
Wir sind bei 125.000 BewohnerInnen mit
Hauptwohnsitz in der Stadt Innsbruck und
man nimmt an, dass diese Zahl in den
nächsten 10 Jahren auf 130.000 ansteigen
wird. Das ist genau dieses moderate Wachsen, das uns ermöglicht, den Urbanisierungsprozess zu nutzen. Warum? Weil es
etwas Positives ist. Wenn Menschen weltweit in Städten wohnen - man geht davon