Gemeinderatsprotokolle seit 2002

Jahr: 2013

/ Ausgabe: 09-Juli-geschwaerzt.pdf

- S.32

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bruck (IStR) novelliert und dabei die Möglichkeit aufgenommen haben, Ehrenzeichen
abzuerkennen, wenn nachträglich Dinge
bekannt werden, die eine Ehrung verhindert
hätten.
Das Interessante an diesen zwei Fällen ist
aber, dass offensichtlich nicht nachträglich
etwas ans Tageslicht gekommen ist, was
man zum Zeitpunkt der Ehrungen in den
frühen 1980er Jahren nicht wusste. In dem
einen Fall wurde jemand geehrt, von dem
bekannt war, dass er eine bestimmte Vergangenheit hat, die ihn eigentlich nicht für
die Arbeit mit Jugendlichen in einem demokratischen System qualifiziert. Im anderen
Fall betraf die Ehrung jemanden, der einem
System der Jugendwohlfahrt angehörte, das
es nicht nur in Tirol, aber speziell auch in
Tirol gab. Das körperliche, sexualisierte und
psychische Gewalt gegenüber Jugendlichen
tolerierte, verschwieg und nicht ahndete.
Insofern steht auch dieser wichtige Satz in
der Konklusion, dass wir mit diesem Akt der
Aberkennung der Ehrenzeichen der Stadt
Innsbruck zum einen Verantwortung für den
Teil der Geschichte, die diese Personen
betrifft, übernehmen. Zum anderen bezieht
sich unsere Verantwortung aber auch auf
jene Akteure, unsere Vorgängerinnen und
Vorgänger, die im Wissen bzw. teilweisen
Wissen über die Geschichte der Betroffenen
die Ehrungen vollzogen haben.
Es freut mich, dass diese Recherche offensichtlich weitere zeithistorische Einzeluntersuchungen auslöst, z. B. zum "Aufbauwerk
der Jugend". Hoffentlich auch bald zum "Seraphischen Liebeswerk (SLW)". Ich sehe
auch einen Auftrag an uns selbst, uns unserer Stadtgeschichte und der Zeitgeschichte
des 20. Jahrhunderts stärker zu widmen
und uns mit den Phänomenen des Tradierens, Wegschauens, der Systeme und der
Elitenkontinuitäten auseinanderzusetzen.
Ich sehe hier nicht nur die Detailuntersuchung mit ihren Ergebnissen, sondern auch
die Schlussfolgerung des Forschungsteams
und erkenne darin einen Auftrag nicht nur
an die betroffenen Institutionen, sondern
auch an uns selbst.
GRin Reisecker: Viele Dinge, die ich mir im
Vorfeld überlegt habe, sind inzwischen
schon geäußert worden. Einige Punkte
möchte ich trotzdem nochmals herausheGR-Sitzung 11.7.2013

ben, damit klar gestellt ist, dass wir sie nicht
vergessen werden.
Es geht hier nicht nur um die EhrenzeichenAberkennung von zwei Personen, sondern
um weitaus mehr. Das ist auch aus der Studie gut ersichtlich. Der erste Punkt, den ich
herausgreifen möchte, sind die Systeme.
Wir haben gerade von zwei Menschen gehört, die zu Gewalt gegriffen und Verbrechen begangen haben. Wir haben auch von
Menschen gehört, die unter dieser Gewalt
gelitten haben und heute noch darunter
leiden. Hinter diesen Menschen stehen Systeme. Sie sind vielfältig und nicht leicht
greifbar.
Wir haben es hier zum einen mit diesem
System zu tun, in dem eine "g"sunde
Watsch"n" als gut empfunden und toleriert
wurde. Wo Gewalt verschleiert und akzeptiert wurde. Weiters geht es um ein System
der Netzwerke, das Einzelpersonen schützte, die Gewalt verübt hatten. Dieses System
schaffte es, Vorfälle zu verschleiern, die an
die Öffentlichkeit gelangt waren. Es achtete
darauf, dass der Diskurs nicht weitergetragen wurde, durch den eventuelle Auszeichnungen möglicherweise verhindert werden
hätten können. Auch geht es um Systeme,
die kritische Stimmen ausgeschaltet haben.
Nicht zuletzt haben wir es auch mit einem
System zu tun - und hier schaue ich in den
Gemeinderat und auf die Politik -, bei dem
viele Augen zugedrückt wurden. Es gilt heute nicht nur über zwei Einzelpersonen zu
befinden, sondern auch über diese Systeme
zu diskutieren und sie zurückzuweisen. Als
Gemeinderat der Stadt Innsbruck sollten wir
durch die Debatte öffentlich machen, dass
wir diese Systeme ablehnen und die zwei
Vertreter, über deren Verhalten heute gesprochen wurde, verurteilen.
Abseits von den Systemen geht es auch
darum, Fragen zu stellen und Konsequenzen zu ziehen, was die zukünftige Verleihung von Ehrenzeichen betrifft. Eine inflationäre Vergabe ist nicht im Sinne der Stadt
Innsbruck. Die Ehrenzeichen der Stadt
Innsbruck sollen etwas Besonderes sein.
Letztlich leiden alle darunter, wie in den
vergangenen Jahrzehnten damit umgegangen wurde. Dadurch werden auch andere
EhrenzeichenträgerInnen in ein schlechtes
Licht gerückt.