Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2008
/ Ausgabe: 2008_05-Mai.pdf
- S.32
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ten Grundbedürfnisse mittels dieses
Gesetzes zu befriedigen.
Nach einer Studie des Europäischen
Zentrums für Soziales heißt es, dass jene
62 %, die Anspruchsberechtigte für
Grundsicherung und Sozialhilfe wären,
diese gar nicht in Anspruch nehmen.
Hier müssen wir uns fragen, ob wir das
jetzt über Sozialmärkte oder sonstige
Ausspeisungen regeln müssen. Wir sind
gefordert, überall dort die Stimme zu
erheben und uns einzusetzen, wo es
darum geht, im arbeitsmarktpolitischen
Bereich sowie im Bereich dieser Grundsicherung diejenigen zu unterstützen, die
anspruchsberechtigt sind. Diese sollten
darauf aufmerksam gemacht werden,
damit sie nicht aus Scham und aufgrund
verschiedener Barrieren diese Grundsicherung nicht in Anspruch nehmen.
(Beifall)
GR Mair: Mir geht es sehr ähnlich wie
GRin Marinell, weil der Tiroler Sozialmarkt
eine mehrfache Entlastung schafft. Er
schafft zwar eine punktuelle Entlastung für
die Leute, damit sie im Tiroler Sozialmarkt
billig einkaufen können, aber er schafft
auch gleichzeitig eine Scheinentlastung für
die Politik.
Die Entlastung, die dieser Tiroler Sozialmarkt der Politik schafft, dadurch dass sie
glaubt, man hätte gegen Armut schon
etwas getan, obwohl man damit an der
Struktur eigentlich nichts geändert hat,
finde ich problematisch. Echte Armutsbekämpfung schaut anders aus, denn sie
muss auch Wahlfreiheiten schaffen. Es
gibt auch für arme Leute das Recht auf
Wahlfreiheit, wo sie einkaufen möchten.
Ich finde es erbärmlich, wenn Leute mit
Gutscheinen zum Tiroler Sozialmarkt
gehen müssen und deshalb festgenagelt
sind. Die Wahlfreiheit ist schon auch ein
Recht, das allen Menschen zusteht; sogar
denen, die arm sind. Darüber sollten wir
einmal reden.
Es wäre ein heilsames Ansinnen sich
einmal anzusehen, wie sich die Armut in
unserer Stadt verteilt. Was es heißt, wenn
die durchschnittliche Pension der Frauen
in Innsbruck irgendwo zwischen € 500,-und € 600,-- liegt, was heißt das an
Armutsrisiko im Fall von Pflege und
GR-Sitzung 15.5.2008
Betreuung? Gibt es Möglichkeiten, wie wir
hier als Stadt gegensteuern können?
Haben wir vielleicht in der Vergangenheit
Instrumente entwickelt, die auf die heutige
Zeit nicht immer passen oder brauchen wir
zusätzliche Instrumente, um Armutsbekämpfung strukturell angehen und den
Tiroler Sozialmarkt überflüssig machen zu
können?
Das Tiroler Grundsicherungsgesetz ist
nämlich eines von jenen Gesetzen, die
strukturell nicht aus der Armutsfalle
herausführen können. Im Tiroler Grundsicherungsgesetz ist immer noch der
Regress enthalten und dieser ist Armut
per Gesetz. Das lasse ich mir nicht
nehmen. (Beifall)
GRin Dr.in Waibel: Armut definieren wir in
der Europäischen Union (EU) als eine
mathematische Größe. Innerhalb Österreichs ist aufgrund dessen, dass das Land
sehr reich ist, die Armut relativ. Sie wird
natürlich dann auch wieder relativ, wenn
innerhalb einer Gesellschaft eine Gruppe
um Vieles weniger hat als eine andere
Gruppe. Auch das macht Armut natürlich
wieder relativ.
Ich gehe davon aus, dass wir mit sehr
vielen SozialarbeiterInnen und mit noch
sehr vielen SozialarbeiterInnen mehr, all
diese Probleme lösen würden. Diese
Ansätze hören wir immer und immer
wieder. Ich weiß aber nicht, warum immer
mehr SozialarbeiterInnen das Problem bis
jetzt nicht einmal verringert haben, denn
die Probleme werden immer mehr.
Es geht um Ansätze, die man treffen kann.
Man kann immer persönliche Ansätze
wählen. Es gibt zum Beispiel in der Stadt
Innsbruck eine junge Frau, die wahrscheinlich, wenn man sich in der MariaTheresien-Straße bzw. in der Innenstadt
bewegt, mehreren Leuten schon aufgefallen ist. Wir haben diese junge Frau, die
wahrscheinlich alle schon einmal gesehen
haben, zu Silvester aufgelesen und ich
habe als Privatperson versucht, sie einmal
im Bereich der Maria-Theresien-Straße
und einmal vor dem Geschäftslokal
Hörtnagl anzusprechen. Inzwischen
flüchtet sie, wenn man auf sie zugeht.
Wer glaubt, dass es hier so einfach ist, die
Probleme dieser Menschen zu lösen, der
soll es ganz einfach machen. In der