Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2009
/ Ausgabe: 2009_11-Dezember.pdf
- S.66
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Gedenkfeier auf dem Westfriedhof
durchgeführt. Wenn dann in 50 Meter
Entfernung diese Ehrung sichtbar ist, hat
dies noch einmal eine ganz andere
Qualität.
GR Gruber: Ein großer Sozialdemokrat,
Dr. Bruno Kreisky, hat einmal gesagt:
"Lernen Sie Geschichte". Das möchte ich
am Anfang ganz emotionslos mitteilen. Es
steht unter anderem vor dem Hauptgebäude der Leopold-Franzens-Universität
Innsbruck ein Denkmal mit den Begriffen
"Ehre", "Treue" und "Vaterland". Darüber
hatten wir jahrelang Debatten und die
Universität hat sich eindeutig für einen
Verbleib dieses Denkmals aus folgendem
Grund ausgesprochen: Diese Begriffe
waren der Wahlspruch der Studentenführer im Jahr 1848, welche die Revolution
und die Demokratie in Europa bereitet
haben. Es ist der Freiheitsbegriff der
freiheitlich schlagenden Kooperationen
und hat mit der NS-Zeit nichts zu tun.
Ich bin weit davon entfernt, dass ich die
Burschenschaft Suevia verteidige. Nur ein
historischer Sidestep: Meine Studentenverbindung hat am Beginn des 20. Jahrhunderts mit den schlagenden Studentenverbindungen derartige Auseinandersetzungen, dass sogar Todesopfer zu
beklagen waren. Trotzdem glaube ich,
dass man die Diskussion sauber führen
muss.
Wenn die Universität nach jahrelangen
Debatten das Denkmal stehen lässt, hat
dies einen Hintergrund - nämlich die
Anerkennung dieser Begriffe als ein
Zeichen der Anerkennung einer Denkhaltung. Die Worte per se sind ja nicht
schlecht oder negativ. Sie sind vielleicht
aus unserer Sicht etwas verstaubt, aber
nicht schlecht. Auch schlagende Verbindungen aus dem sozialdemokratischen
Bereich haben unter diesen Begrifflichkeiten ihre Mitgliedschaft gelebt. Es klingt
sicher verstaubt und es sind nicht die
Werte, die ich mir auf meine Fahnen
heften würde, aber man muss sie in einem
historischen Kontext sehen.
Wo beginnt die Evaluierung bzw. die
moralische Schwelle, dass man beginnt,
eine Gedenktafel hinzustellen? Dann
müssten wir ja eigentlich alle Staats- und
Kirchenführer der letzten 2.000 Jahre
GR-Sitzung 10.12.2009
hinterfragen. Ich denke, dass es der
falsche Weg ist, diese Personen durch
irgendwelche Gedenktafeln zu brandmarken.
Dieses Denkmal der Burschenschaft
Suevia empfinde ich als Vereinsdenkmal
für ihre verstorbenen Bundes- und
Waffenbrüder. Dort ist zugegebenermaßen der Namen eines NS-Verbrechers aus
der Pogromnacht verewigt - das wird auch
niemand verteidigen. Es waren damals
nicht nur unsere jüdischen MitbürgerInnen
davon betroffen, sondern gerade aus dem
katholischen Bereich heraus wurden
Menschen verfolgt. Mein Bundesbruder
Alt-Bischof Reinhold Stecher wurde
damals von der Gestapo gefoltert.
Nehmt daher bitte nicht an, dass die
Betroffenheit betreffend diese Taten bei
uns nicht vorhanden ist. Ich glaube aber,
dass man zu einem differenzierteren
Standpunkt zurückkommen muss.
Es ist ein Denkmal eines Vereines, der
diesen Wahlspruch schon lange vor dem
NS-Regime verwendete. Während der NSZeit waren diese Verbindungen sogar
verboten.
Man muss daher differenzierter vorgehen:
Einen Verein, welcher länger existiert als
diese schlimmen Ereignisse in der
Pogromnacht und diese Wortpaare als
Wahlspruch hat, kann man nicht verbieten.
Das hat - wie bei vielen anderen Denkmälern in dieser Stadt - nichts mit Nationalsozialismus zu tun.
Auf dieser Gedenktafel ist ein Mann
erwähnt, der solche Taten vollbracht hat.
Es gibt aber Gedenktafeln von anderen
Organisationen in der Stadt Innsbruck, wo
man mit Sicherheit auch ehemalige
NationalsozialistInnen oder MittäterInnen
finden könnte. Wir sollten offen über
dieses Thema sprechen und es wird
niemand Dr. Lausegger verteidigen. Wir
bewegen uns aber auf ein gefährliches
Terrain, wenn wir Leute zu brandmarken
beginnen, denen auf Flächen von privaten
Vereinen oder Familien gedacht wird.
StRin Dr.in Pokorny-Reitter: Es geht in
diesem Antrag um nichts anderes, als die
damaligen Ereignisse aufzuzeigen. Ich
habe mir ein Referat herausgesucht,
welches SchülerInnen eines Abendgym-