Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2021
/ Ausgabe: 2021-10-13-GR-Protokoll.pdf
- S.38
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den anderen Parteien wurden schon angesprochen. Auch von mir gibt es einige
grundlegende Überlegungen. Ich bin im Realsozialismus aufgewachsen. Dieser wurde
in den einzelnen Ländern unterschiedlich
gelebt.
Ich bin wie 90 % der Kinder in meiner
Klasse in einem Eigentumshaus aufgewachsen. Es war selbstverständlich, dass
eine Familie den Wohnraum im Eigentum
besitzt. Die meisten waren sogar schon im
Alter von Mitte 30 Jahren mit den Krediten
fertig und nicht mehr verschuldet. Es war
das Selbstverständlichste auf der Welt auch in einem sozialistischen Staat.
Ich lebe immer noch in einer Eigentumswohnung, möchte jedoch keine zweite besitzen, die ich vermiete. Das eigene Dach im
Eigentum zu haben ist für mich tatsächlich
die beste Absicherung, da bin ich der gleichen Meinung wie GR Appler.
Wenn man sich die Mietpreisentwicklung in
unserer Stadt ansieht, sieht man, dass es in
der Zweiten Republik ständig nur nach oben
gegangen ist. Da kann man sich sehr leicht
ausrechnen, ob sich das in der Pension
noch ausgeht oder nicht. Meiner Meinung
nach geht sich das nicht aus. Mein Mann
und ich haben diese Rechnung genauso
aufgestellt, wie auch mein Schwager und
meine Schwägerinnen. Wir haben uns
rechtzeitig noch etwas gekauft.
Ich beobachte die Preise und sie gehen
wirklich in einem rasanten Tempo voran.
Derzeit haben wir in Innsbruck einen Level
erreicht, bei dem es für junge Menschen,
selbst wenn sie gut ausgebildet sind, relativ
gut verdienen und beide arbeiten, nicht
mehr möglich ist, Eigentum anzuschaffen.
Das ist eine Tatsache. Außer, sie bekommen vorab Vermögen von den Eltern oder
irgendwo anders her.
Das heißt, dass derzeit bei uns eine soziale
Selektion stattfindet. Bgm. Willi hat bereits
gesagt, dass wir eine bestimmte Schicht
verlieren. Es wird immer Menschen geben,
die Eigentum haben wollen, auch als Absicherung für die eigene Familie. Für mich bedeutet Stadt eben nicht nur MieterInnen
oder nur EigentümerInnen, sondern für mich
ist eine Stadt eine soziale Durchmischung
einer Gesellschaft, in der alle Schichten
Platz haben. Also von den sozial Schwachen bis zu den Vermögenden.
GR-Sitzung 13.10.2021
Unsere Aufgabe ist es, für alle diese Gruppen Angebote zu schaffen. Es braucht auch
das freifinanzierte Wohnen zu einem gewissen Prozentsatz. Das Verhältnis können wir
bestimmen. Wir haben immer betont, dass
wir zum 50:30:20-Modell stehen, also 50 %
wohnbaugefördert, 30 % förderungsnah und
20 % freifinanziert.
Außerdem sind neue Zeiten angebrochen.
Wir befinden uns in einer Pandemie und
dadurch in einer Situation, die es noch niemals gab. Ich möchte daran erinnern, welche Folgen diese hatte. Viele Menschen
mussten in Kurzarbeit gehen, viele haben
ihre Arbeit oder ihre Existenz als UnternehmerInnen verloren.
Was passiert nun, wenn man in Miete
wohnt? Auf einmal kann die Miete nicht gezahlt werden und wurde für diese Monate
gestundet. Trotzdem ist sie später doch zu
bezahlen. Es kann passieren, dass man zur
Arbeit noch den Wohnraum verliert.
Dadurch entsteht eine doppelte, auch psychische, Belastung. Wenn ein Kredit aufgenommen wurde und es besteht eine Hypothek auf 30 Jahre, kann man zur Bank gehen und eine Stundung vereinbaren. Das
geht in so einer Ausnahmesituation bis zu
einem Jahr. Der Betrag wird hinten an die
Laufzeit drangehängt. Der Wohnraum ist
dadurch immer noch abgesichert, lediglich
die Hypothek wird z. B. für ein Jahr nicht bezahlt. In dieser Zeit kann man sich eine
neue Arbeitsstelle suchen.
Meiner Meinung nach hat hier bei den Menschen ein Umdenken stattgefunden. In der
Bundeshauptstadt Wien hat Wohnraum
sehr an Qualität gewonnen, das kann man
stark beobachten. Dort besitzen viele Wohnungen keine Balkone oder es gibt wenig
Grünraum und deshalb siedeln viele Menschen um. Weiters gibt es ein Umdenken
vom Mieten zum Eigentum.
Bei neuen Situationen braucht es die Politik,
damit neue Lösungen gefunden werden. Da
der Fall von Kranebitten noch nicht ganz
ausjudiziert ist, werden wir das Gerichtsurteil abwarten müssen. Politik braucht aber
auch Mut und muss zumindest etwas unternehmen. Nichtstun ist viel fataler, als einen
Versuch zu starten und das Gerichtsurteil
abzuwarten.