Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023-02-23-GR-Protokoll.pdf
- S.58
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des Friedens. Die Zeit des Nationalsozialismus kenne ich nur aus Geschichtsbüchern.
Wir haben sie im Unterricht ausführlich und
intensiv anhand von Daten und Fakten behandelt.
umso wichtiger, dass wir unsere Verantwortung wahrnehmen und auch keine Gelegenheit auslassen, solche Anknüpfungspunkte
an die menschliche Betroffenheit zu schaffen.
Es ist wichtig, die Geschichte zu kennen,
damit sie sich in der Gegenwart und der Zukunft nicht wiederholt, damit so etwas nie
wieder passieren kann. Das kann man gar
nicht oft genug sagen.
Gedenkorte dürfen nicht übersehen werden.
Sie sollten einen Raum und eine Form bekommen, die eine würdevolle und intensive
Auseinandersetzung ermöglichen, sei es für
Schulklassen als auch für Menschen jeder
Generation.
Trotzdem gibt es heute immer noch oder
wieder Menschen, die - sei es aus Unwissenheit, aus Ignoranz oder aus noch viel
abscheulicheren Motiven - die Gräueltaten,
die insbesondere in den Jahren 1939 bis
1945 Menschen anderen Menschen angetan haben, herunterspielen, mit einem
Schulterzucken als Teil der Geschichte abtun oder sogar leugnen.
Es ist sehr bedenklich, wenn man die aktuellen Entwicklungen verfolgt. Nur mehr 46%
der ÖsterreicherInnen lehnen klar ab, dass
es eine starke Führungsperson geben soll,
die sich nicht um Wahlen oder Parlament
kümmern muss. 15 Prozent halten das für
ziemlich richtig und jede/r Neunte wünscht
sich sogar eine starke Führung!
Es gibt Alarmsignale und eine Entwicklung,
die möglich wird, wenn man sich einreden
kann, dass systematische und gezielte Unterdrückung, Entwertung, Verfolgung und
Ermordung von Menschen aufgrund von äußeren Merkmalen, Religion, sexueller Orientierung, politischer Einstellung und vielem
mehr, sehr weit weg ist.
Nähe und Betroffenheit sind in meinen Augen unglaublich wichtige Aspekte von zeitgemäßer und würdevoller Erinnerungskultur. Ich selbst hatte und habe noch Großeltern, die als Zeitzeugen auftreten konnten
und können. Diese Chance haben jüngere
Generation immer weniger. Daher können
Filme und Bücher hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Ich werde nie vergessen, wie nahe mir das
Lesen des Tagebuches der Anne Frank
ging, als ich im Alter des Mädchens war, die
von ihrem Schicksal schrieb. Das heißt,
Identifikation schafft Nähe. Es liegt aber
auch in der Natur des Menschen, dass jeder
und jede für unterschiedliche Dinge unterschiedlich empfänglich ist. Daher ist es
GR-Sitzung 23.02.2023
Daher halte ich es für sehr wichtig und richtig, dass sich der Gemeinderat dazu entschlossen hat, sich eines solchen Gedenkortes anzunehmen und vor allem auch
näher zu beleuchten, was an diesem konkreten Ort in der Reichenau, in einem Innsbrucker Stadtteil passiert ist.
Die Schließung dieser Forschungslücke ist
eine essentielle Grundlage, um uns jetzt mit
diesem Gedenken auseinandersetzen zu
können. Der Lagerkomplex in der Reichenau war der größte, aber es hat in Innsbruck noch mindestens 30 weitere Lager
gegeben. Damit liegt noch sehr viel Forschung vor uns.
Mindestens 112 Menschen sind dort oder
an den Folgen der Gefangenschaft verstorben. Das Wissen über die Dimension und
vor allem der Namen, der Schicksale der
Opfer ermöglichen einerseits diesen zu gedenken, andererseits aber auch die wichtige
Nähe und Betroffenheit herzustellen, besonders in einer Zeit in der Krieg, unvorstellbare Qual, Menschenrechte - auch Kinderrechte, die mit Füßen getreten werden nicht mehr weit weg sind.
Ich denke, mit diesem Beschluss für einen
Wettbewerb aufgrund der Empfehlungen
der Kommission können wir einen guten
Rahmen schaffen und genug Informationen
und Vorgaben zur Verfügung stellen. Es
lässt auch den kreativen Freiraum für ein
gutes Ergebnis, für ein würdevolles und
zeitgemäßes Gedenken in der Reichenau.
Zum Abschluss möchte auch ich die Gelegenheit nutzen, mich bei den ExpertInnen
der Kommission für ihren Einsatz, die intensive Auseinandersetzung und die konstruktive und wertschätzende Zusammenarbeit
zu bedanken.