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Jahr: 2014

/ Ausgabe: 07-Protokoll_12_06_2014.pdf

- S.28

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nen. Wir halten es aber zumindest für verfassungsrechtlich bedenklich, wenn nicht
verfassungswidrig. Wir werden schon Mittel
und Wege finden, um das durch Selbstversuch herauszufinden.
Die Entscheidung heute betrifft nicht nur ein
paar ergänzende Worte und Sätze, die in
eine bestehende Verordnung eingefügt
werden. Man hängt nicht einfach ein paar
Paragraphen an. Es geht nicht nur darum,
wo Menschen in welchem Zustand sitzen
dürfen und wo nicht. Unter einem größeren
Blickwinkel betrachtet geht es um das städtische Selbstverständnis, das wir haben, um
das Lebensgefühl, das wir mit der Stadt
Innsbruck verbinden, und um Definitionsmacht darüber, wer über den öffentlichen
Raum verfügen darf und wer nicht.
In erster Linie geht es nicht darum, bestimmte Plätze und Bereiche alkoholfrei zu
machen, denn dann müsste man den Alkohol generell (also den gekauften und den
mitgebrachten) verbieten. Somit müsste
man auch den Alkohol auf dem Christkindlmarkt verbieten - und er würde wahrscheinlich gar nicht mehr stattfinden.
Es geht nicht darum, mit übermäßigem Alkoholkonsum verbundene Missstände wie
Randalieren, Vandalismus oder Urinieren
an Hauswände zu verhindern, denn das
machen Leute, die angetrunken aus dem
Gastgarten kommen, genau so.
Abgesehen davon haben wir ein Landespolizeigesetz (T-LPolG), das jetzt schon zuließe, derartige Vergehen verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden.
Hier geht es vielmehr um das Bild, das man
von der Stadt Innsbruck offenbar haben
möchte. Was ist den BürgerInnen bzw. den
TouristInnen an Anblick in dieser Stadt zumutbar? Wir müssen uns schon einmal entscheiden, wenn wir doch dauernd vom Markenbildungsprozess und dem Schlagwort
"alpin-urban" sprechen. Ich nehme diese
Bestrebungen ernst und sehe darin eigentlich keine Public Relations (PR)-Show, für
die man eine Marketingstrategie entwickelt.
Eigentlich kann unser Marken-Prozess aber
nur dann aufgehen, wenn man diesen Begriff auch lebt. Wir wissen, dass die Stadt
Innsbruck wächst und unglaublich attraktiv
ist - wegen der Lage, des Bildungsangebots, der Freizeitmöglichkeiten und vielem
GR-Sitzung 12.06.2014

mehr. Wir sind in ein immer urbaner werdendes und wachsendes Europa eingebettet sowie in ein Wirtschaftssystem, das auch
seine Verwerfungen hat. Diese sind sowohl
von Seiten der einheimischen Betroffenen
als auch von Seiten der zugewanderten
Betroffenen zunehmend sichtbar.
Man kann sagen, dass man an diesen sozialen Verwerfungen arbeiten muss. Es ist
uns klar, dass wir das als Stadt Innsbruck
nicht alleine leisten können, denn das hat
mit fehlender europäischer Migrations- und
Asylpolitik zu tun, mit Sozial-, Steuer- und
Wirtschaftspolitik im nationalen Kontext. Wir
sind aber in diesem Kontext mit drin, wir
können ihn nicht ignorieren und nicht so tun,
als ob wir mit einem Verbot alles vom Tisch
wischen könnten. Die Probleme werden nur
verdrängt, die Menschen werden verdrängt,
ihre Sichtbarkeit wird verdrängt.
Als nächstes werden die Betroffenen vor
dem Tiroler Landestheater sitzen. Wenn
das neue "Haus der Musik" steht, dann wird
man das Verbot auch dorthin ausweiten,
weil man will sich ja den Eindruck des
schönen Kulturbezirks nicht trüben lassen.
Und so werden die Menschen immer mehr
an die Peripherie verdrängt werden und
irgendwann wird der Aufenthalt überall untersagt sein. Das darf aber nicht passieren!
Ich glaube, das hat mit tatsächlichem und
vermeintlichem Druck zu tun, wie GR Grünbacher schon angesprochen hat. Das macht
viele hier herinnen glauben, wenn man so
tut, als ob man ein Problem löst bzw. wenn
man es partiell unsichtbar macht, dann ist
es wirklich nicht mehr da. Dem ist aber nicht
so!
Viel wichtiger wäre es, hier drin an einem
Strang zu ziehen! Man sollte den BürgerInnen reinen Wein einschenken und erklären,
dass es manche Probleme in diesem Themengebiet gibt, zu denen nicht nur bestimmte Menschen gehören, die am Brunnen Alkohol trinken. Generell hat der nicht
gerade von hoher Kultur getragene Umgang
der ÖsterreicherInnen mit Alkohol (im Vergleich zu den südeuropäischen Ländern)
damit zu tun.
Wir müssen den Mut haben, dafür zu arbeiten, dass auch die mehrheitliche Stadtgesellschaft (von der man glaubt, sie im Rücken zu haben) zu einer liberalen wird, die
es erträgt, Problembereiche gesellschaftli-