Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2014
/ Ausgabe: 02_Feber_2014_gsw.pdf
- S.100
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GR Grünbacher: Dieses Thema ist nicht
schwarz oder weiß. Es enthält viele Grautöne.
(Bgm.in Mag.a Oppitz-Plörer: Deshalb wollten wir den Antrag ja prüfen!)
Es ist schon interessant, dass immer wieder
die Meta-Ebenen verwechselt werden. Statt
die Armut zu bekämpfen, bekämpfen wir die
Armen. Die Menschen haben doch alle kein
Mascherl auf der Stirn, an dem man erkennen kann, wer kriminell ist und wer arm.
Mit einem Verbot, auch einem rein örtlichen,
gibt es überhaupt keine Selektion. Es ist
doch unstrittig: Niemand unter uns möchte
kriminelle Strukturen unterstützen! Für deren Bekämpfung ist die Polizei zuständig.
Ich verwahre mich aber davor, Betteln mit
Kriminalität gleichzusetzen.
Deswegen stimmen wir diesem Antrag nicht
zu. Wir sagen, es gibt auch arme Menschen, die nicht organisiert kriminell sind.
Sie würden als Konsequenz allerdings auch
mit dem örtlichen Verbot belegt werden. Wir
haben ja nicht die Möglichkeit, die bettelnden Menschen zu unterscheiden. Deshalb
ist es nicht richtig zu sagen, dass alle, die
gegen den Antrag stimmen, die absolute
Liberalisierung der Kriminalität in der Stadt
Innsbruck wollen. Das ist Blödsinn!
Es ist viel zu einfach dargestellt, wenn man
sagt, dass alles, was mit Betteln zu tun hat,
kriminell, organisiert oder mafiös ist. Es mag
in Teilbereichen zutreffen, das weiß ich
nicht. Mein Vertrauen in die Polizei ist aber
relativ groß. Auch wenn wir eine ortspolizeiliche Vorschrift oder etwas Ähnliches herausbringen, dann sind immer noch die PolizeibeamtInnen diejenigen, die das umsetzen müssen.
(GR Federspiel: Die Polizei muss aber doch
unterstützt werden!)
Aber Du kannst mir immer noch nicht sagen, wie Du den Unterschied zwischen einem redlich Bettelnden und einem kriminell
Bettelnden festmachen willst. Nach rein optischen Aspekten? Oder möchtest Du sie
alle weghaben? Das wäre nämlich die Konsequenz. Und zu dieser bin ich nicht bereit.
Es mag sein, dass ein großer Teil der Bevölkerung so denkt. Aber hier hat die Politik
wirklich Haltung zu bewahren. Solange wir
das legitime Betteln, das ein Menschenrecht
GR-Sitzung 27.02.2014
ist, nicht vom kriminellen Betteln trennen
können, darf man nicht alle Menschen in einen Topf werfen und mit einem Verbot belegen.
GRin Mag.a Yildirim: Die ganze Zeit schon
wundere ich mich über die Begründung dieses Antrages. Ich möchte mich jetzt gar
nicht zur sozialpolitischen Argumentation,
die hier im Gremium vorgebracht wurde,
äußern. Vielmehr möchte ich auf den Antragstext und den Paragraphen 10 des Landes-Polizeigesetzes (L-PolG) eingehen.
Es wurde andauernd vom organisierten und
aggressiven Betteln gesprochen. Wenn
man sich den Wortlaut des Antrages aber
vor Augen führt, dann will man genau die,
die nicht organisiert und nicht aggressiv
sind und die keine Minderjährigen bei sich
haben, bekämpfen.
Ich habe gesehen, dass die antragstellenden Fraktionen den zweiten Absatz dieses
Paragraphen eins zu eins übernommen haben. Ich zitiere:
"Durch Verordnung der Gemeinde kann an
bestimmten öffentlichen Orten auch Betteln
in einer nicht im Absatz 1 des Paragraphen 10 L-PolG erwähnten Form untersagt
werden, also auch dann, wenn es nicht in
aufdringlicher oder aggressiver Weise (z. B.
wenn das Betteln von Anfassen, Beschimpfen oder lautstarkem Klagen begleitet wird),
in gewerbsmäßiger Weise oder unter aktiver
Mitwirkung einer unmündigen minderjährigen Person erfolgt."
Hier geht es also um ein generelles Bettelverbot. Etwas, was aus meiner Sicht durch
die Landesgesetzgebung schon allein deswegen nicht machbar ist, weil im selben Paragraphen Folgendes drinsteht:
"…wenn aufgrund der Anzahl an bettelnden
Personen die Benützung der betreffenden
öffentlichen Orte durch andere Personen
derart erschwert wird..."
Wie hoch ist denn die Anzahl der bettelnden
Personen in der Maria-Theresien-Straße,
die nicht aggressiv sind? Ich spreche hier
von den lautlosen, stillen BettlerInnen. Diese Zahl wird nirgends erwähnt, weder in den
Erläuterungen zum Paragraphen 10 des LPolG noch sonst irgendwo. Diese Anzahl
wird in keiner Form konkretisiert.