Gemeinderatsprotokolle seit 2002

Jahr: 2013

/ Ausgabe: 09-Juli-geschwaerzt.pdf

- S.37

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- 595 -

heutigen Warte viel leichter. Man muss sich
in die Situation von damals hineinversetzen.
Wir haben heute andere Informationen. Ich
warne davor, das zur Regel zu machen.
Wenn ein Gremium wie der Gemeinderat
der Stadt Innsbruck oder der Tiroler Landtag einem Menschen ein Ehrenzeichen verleiht, dann haben sich die Betreffenden
auch Gedanken darüber gemacht.
Deshalb bitte ich, es sich nicht zur Gewohnheit zu machen, solche Ehrenzeichen
abzuerkennen. Dafür müssen schon gravierende Gründe vorliegen - wie im gegenständlichen Fall. Wir stimmen heute selbstverständlich für die Aberkennung. Ich warne
aber davor, auf Personen, die vor 20 oder
60 Jahren ihre Entscheidungen getroffen
haben, Steine zu werfen und sie zu verurteilen.
GR Mag. Abwerzger: Wir haben uns im
Klub sehr lange unterhalten, wie wir mit
diesem Antrag umgehen. Persönlich habe
ich auch lange und genau das ExpertInnengutachten durchgesehen und entsprechend
gewürdigt. Es handelt sich dabei um eine
hervorragende Arbeit, die sehr aufschlussreich ist und die Geschichte von zwei Menschen widerspiegelt, die differenziert zu
bewerten sind.
Auf der einen Seite haben wir sehr unterschiedliche Lebensläufe, auf der anderen
Seite werden wir mit beiden Personen doch
auf die gleiche Weise verfahren müssen.
Ihnen ist damals das Ehrenzeichen der
Stadt Innsbruck für ihre Arbeit mit Jugendlichen verliehen worden. Die Mitgliedschaft
bei der Hitlerjugend (HJ) oder bei der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
(NSDAP) wäre für mich persönlich noch
kein Grund, ein Ehrenzeichen abzuerkennen. Dafür braucht es mehr. In den vorliegenden Fällen haben wir auch mehr.
Wenn man Aberkennungen für jede und
jeden durchführen würde, die oder der in
der Hitlerjugend (HJ) oder in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei
(NSDAP) tätig gewesen ist, dann wären in
einem bestimmten Jahrgangssegment keine
EhrenzeichenträgerInnen mehr zu finden.
Man kann diskutieren, ob man das will oder
nicht. Ich möchte es nicht.
In der Zusammenschau der beiden gegenständlichen Fälle wird deutlich, dass Ehrenzeichen, verliehen für Jugendarbeit, etwas
GR-Sitzung 11.7.2013

Ehrenvolles sind. Aufgrund der Vergangenheit der zwei Personen und der Schilderung
der ExpertInnenkommission haben die Genannten ein Ehrenzeichen der Stadt Innsbruck für Jugendarbeit nicht verdient. Aus
diesem Grund wird die Freiheitliche Partei
Österreichs (FPÖ) dem Antrag zustimmen.
GRin Mag.a Schwarzl: Wenn wir über unsere Geschichte in einer aufmerksamen und
bewussten Atmosphäre diskutieren, dann
müssen wir auch differenzieren.
GR Kritzinger möchte ich erwidern, dass es
eher zu entschuldigen wäre, wenn sich der
Tiroler Landtag keine Gedanken darüber
gemacht hätte, was er tut. Gerade die Tatsache, dass sich die Betroffenen dabei viel
gedacht haben, zeigt das Systematische
dahinter.
Ich behaupte, es waren die gesellschaftlich
anerkannten Verhaltensweisen und Zustände im Fürsorgesystem, die dazu geführt
haben, dass bewusst an gewisse Leute
solche Ehrungen vergeben worden sind.
Genauso war es System, dass sich Österreich nach 1945 als Opfer präsentierte.
Dabei hat unser Land eine nationalsozialistische Vergangenheit und war genauso ein
TäterInnenstaat wie Deutschland. Wir haben uns nach eigener Definition in der Opferrolle gesehen. Sie wurde uns aus Gründen der Taktik im Kalten Krieg auch gegeben und zugestanden.
Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus
und seiner Vorgeschichte hat bei uns erst
mit der "Causa Waldheim" richtig angefangen. Ab da ging das stärker los. Ich kann
mich an meinen Geschichtsunterricht erinnern - wenn man bis zum Jahr 1918 gekommen ist, dann war das schon viel.
Die Vorgänge müssen genau aus dieser
historischen Entwicklung und der NichtAufarbeitung unserer Geschichte betrachtet
werden. Die Bundesrepublik Deutschland
(BRD) musste das im Gegensatz zu uns
schon leisten, weil sie immer als TäterInnenstaat definiert war. Da in Österreich diese Kontinuitäten nicht angegriffen wurden,
gab es bei uns dieses andere System, das
bestimmte Personen und Personengruppen
unterstützte.
Das geschah nicht nur, weil man um die
Stimmen des Verbands der Unabhängigen
und der ehemaligen NationalsozialistInnen