Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2017
/ Ausgabe: 11_Protokoll_05.10.2017.pdf
- S.58
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- 608 -
Ich werde wieder gegen dieses Verbot
stimmen, wie das letzte Mal auch. Die
Rahmenbedingungen haben sich seither
nicht wesentlich geändert. Ich kann die Forderungen von StR Pechlaner gut nachvollziehen. Vor allem der Punkt mit den StreetworkerInnen gefällt mir gut. Denn was machen wir wirklich mit den Leuten, die in der
Innenstadt schlafen? Sie gehen nicht von
selbst in eine niederschwellige Einrichtung.
Dort fühlen sie sich nicht wohl und können
sich nicht integrieren. Es ist ein kleines
Häufchen von Menschen, die in der Altstadt
schlafen. Diejenigen, die in den Unterführungen nächtigen - ich habe sie selbst gesehen z. B. beim Olympiastadion -, das sind
Familienverbände. Da sind Frauen und Kinder dabei. Sie ziehen dann einfach woanders hin.
Das Verbot, das wir heute beschließen - so
wie es jetzt aussieht mit 24 zu 16 Stimmen -, verlagert das Problem. Die Personen, die jetzt in der Altstadt schlafen, übernachten dann im Stadtteil Wilten, in der Nähe des Landeskrankenhauses Innsbruck,
der TirolKliniken. Wir müssen die Rahmenbedingungen ändern mit Hilfe von Sozialarbeit und Streetwork.
Leider wird es den Beschluss heute geben.
Wir werden das nicht mehr ändern können.
Ich persönlich kann das mit meinem christlich-sozialen Weltbild nicht vereinbaren. Es
geht hier um ein Verbot des Schlafens in
der Altstadt. Ich habe Angst vor den Entwicklungen und bin eine Gegnerin davon,
immer mit Verboten hineinzufahren, ohne
die Rahmenbedingungen zu ändern.
GR Onay: Genau so, wie man bei der Minderheitenpolitik nicht die Worthoheit und die
Definitionsmacht ausschließlich der Mehrheit überlassen sollte, bin ich der Meinung,
dass man in der Obdachlosenpolitik nicht
die Worthoheit den Innenstadtkaufleuten
überlassen sollte.
Ich bin gebürtiger Innsbrucker und kenne
sehr viel in dieser Stadt. Allerdings das Leben von obdachlosen, oft alkoholkranken
Personen, war mir bis vor Kurzem nicht genau bekannt. Dann bin ich zusammen mit
Kollegin GRin Mag.a Heis zu einem Lokalaugenschein eingeladen worden. Das wurde
vom Forum Haydnplatz organisiert, um die
Situation vor Ort in Augenschein nehmen zu
können. Wir waren dort im fünften Stock, da
GR-Sitzung 05.10.2017
konnte man ganz andere Bilder sehen, als
man landläufig annimmt. Es wurde uns berichtet, dass es für viele Menschen, die obdachlos sind und oft ein Suchtleiden haben,
ein Problem darstellt, in so eine Einrichtung
hineinzugehen. Manche schaffen es wiederum nicht, aus ihren Zimmern herauszukommen. Da gibt es Personen, die monatelang keinen Fuß mehr vor die Zimmertür
gesetzt haben, aus Angst, überfallen zu
werden. Andere gehen dafür erst gar nicht
in solche Einrichtungen, weil sie befürchten,
dass ihnen dort etwas passiert.
Da geht es um Klaustrophobie und Ähnliches. Diese Menschen bevorzugen, um sich
selbst bestmöglich schützen zu können, irgendwo in der Innenstadt unter freiem
Himmel zu nächtigen. Da fühlen sie sich sicher. Sie sind draußen, aber auch nahe genug bei der Gesellschaft. Leute gehen vorbei und sie befinden sich in einem geschützten Rahmen. Die Lösung ist nicht nur
darin zu finden, Schlafplätze zur Verfügung
zu stellen. Vielmehr muss man sich mit diesen Personen grundsätzlich befassen.
Es wundert mich, dass sich in der Stadt
Innsbruck die grundlegend ablehnende Haltung durchsetzt. StR Pechlaner hat gerade
erwähnt, dass wir insgesamt 16 Vereine
haben, die sich um die Obdachlosen kümmern. Ich bin jeder/m einzelnen MitarbeiterIn dankbar. Persönlich könnte ich diese Arbeit nicht machen, dazu bin ich zu emotional und das macht mich alles sehr betroffen.
Ich könnte das nicht, aber andere haben
glücklicherweise die Kraft, dort zu arbeiten.
Sie sagen, bitte, erlasst dieses Verordnung
nicht. Daher wundert es mich, wie schnell
die Politik reagiert, wenn die Wirtschaftsseite etwas braucht. Auf die Sozialeinrichtungen, die wir unterstützen, mit denen wir eigentlich mitarbeiten, hören wir nicht. Zu ihren Forderungen sagen wir nein.
Ich wünsche mir eine spezifische Obdachlosenpolitik. Denn wir haben Obdachlose.
Nur weil sie nicht mehr in der Innenstadt
sichtbar sein werden, gibt es sie trotzdem.
Wenn sie außerhalb der Innenstadt schlafen, finden sie dort auch keine Sanitäranlagen vor. Ich wünsche mir, dass es solche
Anlagen gibt. Dass man ihnen eine Toilette
hinstellt. Aber das passiert auch nicht. Man
handelt nach dem Motto "Aus dem Auge,
aus dem Sinn."