Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2014
/ Ausgabe: 12-Protokoll_01_12_2014_gsw.pdf
- S.48
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Im Rahmen der Transatlantischen Handelsund Investitionspartnerschaft (TTIP) sowie
der CETA- und TiSA-Abkommen verhandelt
die EU-Kommission im Auftrag der Mitgliedsländer weitere Deregulierungsmaßnahmen und -schritte, die alle Lebensbereiche betreffen. Teilbereiche davon sind der
Dienstleistungssektor und die öffentliche
Auftragsvergabe. Laut dem durchgesickerten Verhandlungsmandat für TTIP und den
durchgesickerten Verhandlungsdokumenten
für CETA und TiSA ist das Ziel dieser Abkommen, bestehende Liberalisierungen des
Dienstleistungsbereichs über diese Abkommen festzuschreiben.
Alle öffentlichen Dienstleistungen, die für
den sozialen Zusammenhalt wichtig sind
und zu denen alle Bürgerinnen und Bürger
freien Zugang haben müssen, sind von diesen Abkommen betroffen: Gesundheit, Bildung, Energieversorgung, Wasser, Transporte, öffentlicher Verkehr (ÖV), Post, Telekommunikation, Kultur und Freizeit, Abfallwirtschaft, Alterspflege usw. Lediglich jene
Bereiche, die explizit in Form eines Negativlistenansatzes ausgenommen werden, fallen nicht darunter.
Darüber hinaus sollen Konzerne, die in einer der Regionen bzw. Länder, die TTIP,
CETA und TiSA verhandeln, eine Niederlassung haben, in Zukunft bei der Ausschreibung von öffentlichen Verträgen mitbieten können.
Freihandelsabkommen - so auch diese sind für alle Gebietskörperschaften, also
vom Bund über die Bundesländer bis zu
den Gemeinden gültig; sie sind für alle Gebietskörperschaften verpflichtend. Bundesländer und Gemeinden sind also direkt betroffen. TTIP, CETA und TiSA stellen das
Subsidiaritätsprinzip in Frage, indem sie
namentlich die Möglichkeit der lokalen Entscheidungsträgerinnen und -träger einschränken, im Dienstleistungsbereich eine
eigenständige Politik zu betreiben. Die
zwingende Gleichbehandlung von lokalen
und ausländischen Anbietern (Prinzip der
"Inländerbehandlung") macht Regionalpolitik oder die Förderung von Nahversorgung
unmöglich.
Im Rahmen von TTIP und CETA sollen
Konzernen auch Klagerechte gegenüber
Staaten zugesprochen werden - der sogenannte Investitionsschutz. Solche Klagen
GR-Sitzung 01.12.2014
sollen von privaten Schiedsgerichten entschieden werden, die der Öffentlichkeit wenn überhaupt - nur beschränkt zugänglich sind und für die es keine Berufungsmöglichkeiten gibt. Damit können diese
Konzerne in Zukunft Staaten (und indirekt
Gemeinden) auf entgangenen Gewinn oder
zu hohe Umweltauflagen klagen. Dies kann
auch Gemeinden treffen. So hat Vattenfall
im Jahre 2009 Deutschland wegen zu hoher
Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk
Moorburg in Hamburg geklagt.
Erstmalig wird im TTIP-Abkommen ein regulatorischer Rat verhandelt, der dieses
Abkommen zu einem "lebenden Abkommen" machen soll. Dieser Rat soll von Vertretern der Europäischen Kommission und
der US-Regierung beschickt werden. Nach
Abschluss der Verhandlungen sollen bestehende und zukünftige Gesetze, Vorschriften
und Standards zum Schutz von Leben und
Gesundheit, zum Umwelt- und Konsumentinnen- und Konsumentenschutz insbesondere auch für den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten darauf überprüft werden,
ob sie ein unnötiges Handelshemmnis zwischen den betreffenden Ländern darstellen
und gegebenenfalls Maßnahmen zur Harmonisierung gesetzt werden. Ausgewählte
Stakeholder (vor allem Konzerne) sollen in
die Arbeit des regulatorischen Rates eingebunden werden.
Egal, welche Handels- und Investitionsabkommen verhandelt werden - ein grundlegendes Problem ist immer die fehlende Offenlegung von Verhandlungsdokumenten.
Alle Verhandlungsdokumente sind geheim,
weder die Position der Europäischen Kommission noch jene der verhandelnden Länder USA und Kanada sind bekannt. Noch
gravierender ist das, diesen Verhandlungen
eigene Demokratiedefizit. Dadurch, dass die
Verhandlungen streng geheim und abgeschirmt von der Öffentlichkeit stattfinden,
wird ein demokratischer Meinungsbildungsprozess unterbunden. Dies unterminiert die
Grundpfeiler der Demokratie und muss
deshalb grundsätzlich geändert werden.
Verschiedene Gemeinden in Europa haben
bereits Maßnahmen gegen TTIP, CETA und
TiSA ergriffen und ähnlich lautende Resolutionen unterschrieben.