Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2013
/ Ausgabe: 16-BudgetDez-Teil1.pdf
- S.28
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Misst die Kameralistik nur den Geldverbrauch, so zeigt die Doppik auch den Ressourcenverbrauch. Neben dem Geldmitteleinsatz werden also auch eine Wertminderung des Vermögens sowie der Kapital(=Substanz)verzehr ersichtlich. Dadurch
ergibt sich auch die Notwendigkeit von
Rücklagenbildung und deren angemessener
Dotierung.
Natürlich brächte so eine Umstellung - je
nach Qualität und Vollständigkeit vorhandener Unterlagen - zunächst einiges an Aufwand mit sich, müssten doch eine Eröffnungsbilanz erstellt und sämtliche materielle
und immaterielle Vermögensgüter, Forderungen und Schulden identifiziert und bewertet werden.
Dass dieser Vorgang auch Schwierigkeiten
mit sich bringt, etwa im Fall von "öffentlichen Gütern", die ihrer Natur nach der Allgemeinheit dienen und für sich keinen objektiven Marktwert besitzen (z. B. Straßen,
Wege, Plätze, Parks, Gärten, Sportanlagen,
Kanalisation, Erholungsgebiete, Denkmäler,
historische Gebäude, Kunstsammlungen),
ist klar. Es ist aber durchaus möglich, diese
als eigene Kategorie im Anlagevermögen
darzustellen, etwa mit fortgeschriebenen
Anschaffungskosten.
Für kurzlebige Wirtschaftsgüter mit geringen
Anschaffungspreisen kann unter Umständen auch mit Schätzwerten gearbeitet werden, da sich die Beträge durch schnelle
Abschreibung und Neubeschaffung rasch
korrigieren. Immobilien können durch Gutachten über Verkehrs- und Ertragswerte
untermauert werden. Barwerte von Darlehen, Beteiligungen und andere Finanzanlagen sind mittels Abzinsung, zum Nominale
oder durch entsprechende Bewertungsmethoden zu eruieren.
Für den Bilanzansatz ist das wirtschaftliche
Eigentum maßgeblich. Es muss daher geprüft werden, ob die Körperschaft Objekte
besitzt oder verwaltet, die nicht in ihrem
Eigentum stehen, für welche sie aber z. B.
das Investitionsrisiko trägt. Gleiches gilt für
Leasingverträge.
Ein positiver Nebeneffekt der faktischen und
auch technischen Umstellung des Rechnungssystems wäre auch eine Optimierung
der Büroorganisation und der Abläufe.
GR-(Budget-)Sitzung 5.12.2013
Natürlich ist aber klar, dass eine Gemeinde
nicht 1:1 wie ein Unternehmen geführt werden kann und ein Buchhaltungssystem auf
die besonderen Bedürfnisse einer solchen
Gebietskörperschaft Rücksicht nehmen
muss.
Und es ist auch klar, dass es Druck in Richtung Doppik von Seiten der Berufsverbände, der WirtschaftsprüferInnen und der
kommerziellen AnbieterInnen gibt, die ihre
Systeme, Programme und InformationsTechnologie (IT)-Tools für die Buchhaltung
und Audits an den Mann bzw. an die Frau
bringen wollen. Sie sind bestrebt, "best
practices" der Privatwirtschaft auf den öffentlichen Sektor zu übertragen und damit
Geld zu verdienen. Weiters ist es richtig,
dass es viele offene Fragen vor allem auf
dem Gebiet der Ersterfassung, Bewertung
und Bilanzierung sowie der IT-Implementierung gibt.
Allerdings sind das kurzfristig auftretende
Themen, die dem langfristigen Interesse an
einer transparenten Buchhaltung und an
nachhaltigem Wirtschaften jedenfalls unterzuordnen sind.
Daran kann auch das Scheinargument, es
gehe bei den öffentlichen Finanzen nicht um
Gewinnerzielung, sondern um die Verfolgung öffentlicher Aufgaben, nichts ändern.
Denn es kann nicht falsch oder gar unmoralisch sein, Verluste als solche auszuweisen
und gegebenenfalls auch Konsequenzen
daraus zu ziehen, wie etwa die Reduktion
öffentlicher Aufgaben bei gleichzeitiger Verringerung der Steuer- und Abgabenlast der
Bevölkerung.
Umgekehrt kann die doppelte Buchführung
auch um Elemente angereichert werden, die
einen permanenten Planablaufvergleich
nach kameraler Art erlauben, oder um andere Instrumente, die ein maßgeschneidertes, mehrdimensionales öffentliches Rechnungswesen, das finanz-, einzel- und gesamtwirtschaftlichen Ansprüchen entspricht,
ermöglichen.
Ein vernünftiges System existiert zudem
bereits mit dem von em. Univ.-Prof. Dr.
Dr. h.c. Klaus Lüder an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften
Speyer unter Einbeziehung internationaler
Erfahrungen entwickelten "Speyerer Verfahren", das seit 1999 erfolgreich im Echtbetrieb angewandt wird.