Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2020
/ Ausgabe: 2020-06-25-GR-Protokoll_kl.pdf
- S.21
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ein Problem haben, das vielleicht unseren
Umgang mit Demokratie betrifft.
GR Mag. Plach hat schon die Anwendung
unseres Stadtrechts und unserer Geschäftsordnung genannt. Er sprach auch von den
Grenzen des Machbaren, die sich verschoben haben. Ich finde aber fast noch schlimmer, wie sich teilweise die Grenzen des
Sagbaren und die Diktion hier verschoben
haben. (Beifall)
Ich bin ja auch schon ein wenig länger im
Haus und muss zugeben, dass der Umgang
miteinander um einiges rauer und formloser
geworden ist. Ich glaube, das trägt ungemein dazu bei, dass die politische Polarisierung zunimmt. Wir müssen uns alle selbst
ein wenig bei der Nase nehmen und diesen
Umgang miteinander überdenken. Damit
wird der Ton im Plenum und in den Fraktionen wahrscheinlich wesentlich besser und
damit wird auch der Umgang mit Demokratie besser.
Wir haben als kommunale Politik ein großes
Privileg. Wir sind direkt mit der Umsetzung
unserer Beschlüsse konfrontiert und gesegnet. Wir sehen, was wir beschließen. Wir
haben die direkte Auswirkung vor Ort. Wir
haben das Privileg - hin und wieder auch
den Ärger -, direkt zu säen und zu ernten.
Wir haben das Glück, dass wir es vor uns
und für uns erleben und erlebbar machen
dürfen. Da tun sich viele Gremien - im Landtag, im Nationalrat - natürlich viel schwerer,
diese direkte Auswirkung zu erfahren.
Dieses Privileg sollte uns eigentlich als Vorbild dienen. Es sollte unser Motor sein, damit wir die Dinge nicht nur gemeinsam beschließen, sondern auch umsetzen, um sie
für unsere BürgerInnen erlebbar zu machen.
Um nochmals auf die politische Polarisierung und auch auf die Diktion untereinander
zurückzukommen: Ich glaube, es fehlt vielleicht nicht nur an der Form, sondern auch
hin und wieder an Demut vor der Aufgabe,
die wir hier bewältigen dürfen. Demut vor
der Aufgabe, die wir übernommen haben
und der wir uns stellen, Dinge für die Bevölkerung dieser Stadt umzusetzen und zu gestalten, sie einen Schritt weiter zu bringen
und zu versuchen, sie besser zu machen.
Ich glaube auch nicht, dass unsere Aufgabe
das pure Verwalten ist. Unsere Aufgabe ist
GR-Sitzung 25.06.2020
das Gestalten. Demokratie hat das Privileg
von der Meinungsvielfalt der Verschiedensten zu leben, diese zu diskutieren, hier
Mehrheiten zu suchen.
Und, GR Depaoli, wenn ich das vielleicht
einmal direkt ansprechen darf: Was öffentliches Interesse ist - GR Mag. Fritz hat es
einmal so schön gesagt -, sagt die Mehrheit
dieses Hauses. Sie repräsentiert die demokratische Mehrheit dieser Stadt! Es sagt
nicht ein Stadtteil, es sagt nicht ein/e VertreterIn eines Stadtteils, es sagt nicht eine
Sparte, sondern es sagt die Mehrheit, was
öffentliches Interesse ist. Die Beratungen
mit den entsprechenden Beschlussfassungen dazu, finden regelmäßig in diesem
Haus statt.
Die wahre Demokratie, GR Depaoli, ist nicht
die, dass Sie Ihre Meinung durchsetzen,
sondern die, dass Sie Ihre Meinung und
auch Ihren Standpunkt hier artikulieren, im
Verhältnis länger reden dürfen als Mehrheiten, wir Ihre Anträge wahrnehmen, zuhören
und behandeln, denn das ist der Grundsatz
der Demokratie. Demokratie sagt nicht,
dass die Minderheit bestimmt, was passiert!
Der Grundsatz sagt, dass die Mehrheit die
Minderheit und ihr Meinungsrecht schützt.
Ich glaube, das ist etwas, das dieses Haus
und dieses Plenum sehr wohl seit Jahren
und Jahrzehnten vertritt. Ich bin
GR Mag. Plach für die Reform der GOGR
sehr dankbar. Erstens weil ich sie bei ihm
als Vorsitzenden des Rechts-, Ordnungsund Unvereinbarkeitsausschusses in sehr
guten Händen weiß und zweitens, weil wir
eine sehr offene und gute Diskussion führen. Ja, diese Diskussionen sind mühsam.
Das ist das Finden von Mehrheiten in einer
Demokratie immer, aber sie ist unabdingbar. Da kann es nicht langweilig werden,
zum x-ten Mal über den gleichen Punkt zu
reden, denn es geht um unsere grundsätzlichsten Spielregeln und um die Werte dieses Hauses, die wir leben und nach außen
tragen sollten.
Deshalb werden wir uns dafür ordentlich
Zeit nehmen, um diese Geschäftsordnung
so praktikabel und anwendbar zu machen,
dass wir sie auch wirklich leben können.
Worum ich die MandatarInnen wirklich bitten würde: Es geht nicht um mangelnde Demokratie. Ich glaube, es geht um man-