Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2021
/ Ausgabe: 2021-12-09-GR-Protokoll-Budget-1.Teil.pdf
- S.21
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Tatsache ist, Mehrheiten sind eben nicht
egal! Es bedarf nur einer ganz einfachen
Addition, um herauszufinden, dass es bei
40 GemeinderätInnen immer noch mindestens 21 für eine Mehrheit braucht. Zehn genügen nicht! (Beifall)
Seit Herr Bürgermeister die Koalition aufgekündigt hat, ist - aus unerfindlichen Gründen
und offenbar zur Überraschung der GRÜNEN - die Mehrheitsfindung schwierig geworden. Man kann auch sagen: Es herrscht
das blanke Chaos.
Außerdem ist es auch ein gefährlicher Irrtum, zu glauben, dass ich auf Regeln einfach pfeifen kann, so lange ich mir einbilde,
inhaltlich oder moralisch im Recht zu sein
und meine Position sowieso die einzig zulässige ist. Letzteres ist bekanntermaßen
sehr selten der Fall.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, der
angesprochen werden muss. Der wehleidige Opfermythos, dass "alle gegen Willi"
seien, wird durch penetrante Wiederholung
nicht wahrer. Vermutlich wird eher umgekehrt "ein Schuh draus". Sie kennen vermutlich alle den alten Witz: "Jemand fährt
auf der Autobahn, als die Radiomeldung
kommt: Achtung, Achtung, auf der A12
kommt Ihnen ein Geisterfahrer entgegen.
Sagt der Autofahrer: Was heißt einer - hunderte!“ (Beifall)
Stichwort Chaos. Es hat sich bis zur Erstellung der Jahresvoranschläge der Landeshauptstadt Innsbruck für die Finanzjahre 2022 und 2023 durchgezogen. Heute
stimmen wir über dieses "Doppelbudget"
ab.
Zur Erinnerung: Herr Bürgermeister wollte
den Doppelbeschluss von vornherein nicht
und hat zunächst mit untauglichen Mitteln
versucht, ihn zu verhindern. In weiterer
Folge hat er versucht, ihn so lange wie
möglich zu ignorieren. Schließlich ist bei der
Erstellung der Jahresvoranschläge erneut
Chaos nicht schicksalshaft über uns hereingebrochen, sondern es wurde mutwillig herbeigeführt.
Dass es bei der Erstellung von Budgets,
erst recht bei "Doppelbudgets" und mit einem neuen Finanzdirektor ein bisschen "darunter und darüber geht", ist normal. Das
steht außer Frage. Ich komme ein weiteres
Mal auf Marcel Proust zu sprechen.
GR-(Budget-) Sitzung 09.12.2021
"Die Zeit vergeht, und allmählich wird alles
wahr, was man erlogen hatte."
Es ist nicht normal, auf dieses Prinzip zu
setzen! (Gelächter im Saal)
Was ich in der politischen Debatte in der
Stadt Innsbruck wirklich schmerzhaft vermisse, ist Redlichkeit. Redlichkeit in der Argumentation, Redlichkeit in der Kommunikation nach innen und nach außen.
Das Problem daran ist nicht nur, dass es die
Arbeit im Gemeinderat mitunter sehr mühsam macht. Ob wir es einfach oder schwierig haben, könnte der Bevölkerung ja herzlich egal sein. Das Problem ist, dass wir als
Gesamtheit nach außen hin ein katastrophales Bild abgeben und permanent Vertrauen verspielen. Das halte ich gerade in
Zeiten, in denen ein so tiefer Riss durch die
Gesellschaft geht, verantwortungslos und
brandgefährlich.
Wir haben ernste Sorgen und ich glaube,
wir müssen sie uns machen, wenn ich mir
anschaue, was sich zum Beispiel gestern
Nachmittag bei der Corona-Demonstration
in der Maria-Theresien-Straße abgespielt
hat. Ich befürchte, wir verlieren gerade einen erheblichen Teil der Bevölkerung, der
sich aus jeglichem verbindlichen gesellschaftlichen Diskurs komplett verabschiedet! Es gibt zu viele Menschen, die nur noch
wutbrüllend auf der Straße stehen. Sie sind
für eine Art des Diskurses oder der Kommunikation nicht mehr zugänglich.
Die erschreckende, ständig wachsende Aggressivität ist vielleicht mehr als alles andere ein Symptom. Hier entladen sich eine
außer Kontrolle geratene Zukunftsangst und
ein tiefes Misstrauen vieler Menschen gegenüber tatsächlichen oder vermeintlichen
Autoritäten. Das darf uns nicht egal sein!
Mir ist schon klar, dass wir als Gemeinderat
der Landeshauptstadt Innsbruck nicht für
den sozialen Frieden in ganz Österreich zuständig sind, aber wir sind für die Stadt
Innsbruck verantwortlich. Ich nehme die
Budgetthematik ernst. Glaubt mir, das tu
ich! Trotzdem bezweifle ich, dass unsere
größte Herausforderung für das Jahr 2022
finanzieller Natur sein wird. Das gesamte
Psychogeplänkel und die Drohgebärden im
Vorfeld der Sitzung des Gemeinderates bei-