Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2015
/ Ausgabe: 03-Protokoll_19.03.2015_gsw.pdf
- S.44
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des Monats pleite. Dann bin ich diejenige,
die Sozialhilfe braucht!
Ihr könnt Euch davon gerne selbst überzeugen. Macht Euch ein Bild und geht in der
Früh durch die Stadt. Bringt Euer Kind in die
Schule, geht zurück ins Büro, dann mittags
wieder retour usw. - also viermal hin und
her. Wenn man da jedes Mal jeder BettlerIn
Geld gibt - nein, das geht nicht. Außerdem
werden die Bettelnden immer mehr. Das
können die Innsbrucker Grünen (GRÜNEN)
noch so sehr bestreiten, es wird dadurch
nicht richtiger.
GR Dr. Stemeseder: Ich möchte etwas zu
den verfassungsrechtlichen Argumenten
von GRin Mag.a Heis und StR Gruber sagen.
Rechtsstaat - das ist eines meiner LieblingsAllergiewörter. Rechtsstaat gegen Staatsrecht. Ich bin ein Staatsrechtler und argumentiere von dieser Warte aus. Ich befolge
die Staatsregeln deshalb, weil der Staat
mich schützt und mir Sicherheit verleiht.
Das ist der Deal und das hat mich schon
Unsummen an Geld gekostet. Was ich alles
schon in dieses System einbezahlt habe,
damit wir alle hier schön sicher sind!
Ich stelle eine Frage: Was ist die Alternative
zum Betteln, wenn man arm ist und vom
Sozialamt nichts bekommt? Man kann stehlen oder einbrechen gehen. Das ist wirklich
unsympathisch, wenn man Einbrüche im eigenen Haus hat. Im Sonnenschlössl, wo ich
wohne, haben wir drei Attacken auf das
Haus gehabt. Einmal einen vollendeten
Einbruch, einmal einen Versuch. Das hat
sich alles in den letzten acht Wochen abgespielt. Zu guter Letzt ist jemand mit der
Brechstange auf meinem Dach gestanden.
Super! Das ist nicht besonders lustig.
Dagegen ist diese Betteldiskussion ja eine
richtige Harmoniegeschichte. Geld zu verteilen, bis man selbst keines mehr hat - das
ist einfach nur mehr krank! Diese VerfassungsrechtlerInnen, die dauernd den Ausdruck Rechtsstaat in den Mund nehmen,
sind im Grunde liberalistische BürgerInnenkinder aus dem 19. Jahrhundert. Wir müssen das staatsrechtlich organisieren, damit
unsere BürgerInnen sich wohl und sicher
fühlen. Die Statistik hängt mir schon so zum
Hals heraus! Der neueste Trend ist der,
dass uns via Fernsehen dauernd erklärt
wird, dass es immer weniger arme Menschen gäbe und man sich das alles nur einGR-Sitzung 19.03.2015
bilde. Weltweit hätten alle Menschen um
50 % mehr zu essen als früher. Auch die
hohe Jugendkriminalität sei nur ein Irrglaube, die Jugendlichen seien viel weniger kriminell als angenommen. All das könne man
aus den Statistiken herauslesen. Die Einzigen, die schuld sind, seien die bösen Medienleute, sie müssten umerzogen werden,
damit sie bessere Berichte verfassen.
Ich bin seit 1984 in Tirol. Also seit gut
30 Jahren. Es gibt dazu einen Videodreh:
"Making of Heinrich. Ich, die anderen und
Gott." Das ist ein Gedichtvideo. Meine Fans
sind damals - vor 20 Jahren - mit der Kamera durch die Stadt Innsbruck gegangen und
haben die PassantInnen gefilmt. Da kommt
man dann auf Folgendes drauf:…
Bgm.-Stellv. Kaufmann: GR Dr. Stemeseder, bitte sprechen Sie zum Tagesordnungspunkt!
GR Dr. Stemeseder: Man kommt drauf,
dass vor 20 Jahren manches noch anders
war. Wenn wir tatsächlich diesen Ur-Deal
"Schutz gegen Gehorsam" weiter aufrecht
erhalten wollen, dann müssen wir etwas
ändern. Dann müssen wir wieder zurückkommen zu einer gescheiten Ordnungspolitik. Weil endlich irgendetwas passieren
muss, werden wir heute diesem Verordnungsentwurf zustimmen.
StR Mag. Fritz: Als Erstes muss ich sagen,
dass mich vor diesem staatsrechtlichen
Deal "Schutz gegen Gehorsam" schaudert.
Man weiß auch, wohin diese Staatsrechtstheorie aus den 1920er- und 1930er-Jahren
geführt hat. Derjenige, der diese Dinge erzählt hat, war wenig später ganz in der Nähe des Nationalsozialismus zu finden.
(GR Dr. Stemeseder: Das hat nicht nur Carl
Schmitt, sondern auch Thomas Hobbes vertreten!)
Danke, dass jetzt auch der Name Carl
Schmitt gefallen ist. Vor diesem schaudert
mich nämlich ganz besonders. Da bin ich
gerne ein liberaler Anhänger des Verfassungsstaates und lasse mich dafür von GR
Dr. Stemeseder beschimpfen.
Ich schließe mich StR Gruber in seinem offenbar nicht verfrüht geäußerten Dank an.
Die Debatte ist nämlich im Tonfall und Geist
sachlich weitergegangen. Allerdings kann
ich dem Kollegen in dem einen Punkt nicht
folgen, in dem er von einem Signal spricht.