Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2012
/ Ausgabe: 2012_12-November.pdf
- S.28
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und Bürgerbeteiligung in Form von Betroffenenbeteiligung haben. Es muss wirklich eine Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung gegeben sein. Natürlich engagieren
sich die Betroffenen immer leichter, als jene, die nicht davon betroffen sind. Oft entsteht dann der Eindruck, dass die Masse für
oder gegen ein Projekt ist. In Wahrheit ist es
die Menge der Betroffenen, die gerade in
dem Stadtteil oder in dieser Straße wohnen.
(Dr. Hütter: Was spricht gegen die Beteiligung von Leuten, die nicht betroffen sind?)
Überhaupt nichts. Nur, die Darstellung, dass
diese dann die Mehrheit und nicht die Minderheit sind, ist ein wesentlicher Punkt der
repräsentativen Demokratie. Es ist völlig
legitim, dass sich Menschen engagieren.
Aber zu sagen, dass Menschen gegen eine
Sache sind und wir dementsprechend reagieren sollen, ist natürlich ein völlig falscher
Ansatz, da mir dieses Quorum grundsätzlich
viel zu dünn ist.
Wir werden uns daher Methoden suchen
müssen, um nicht nur die Betroffenen zu
beteiligen, sondern einen repräsentativen
Querschnitt zu erhalten, damit wir auch einen entsprechenden Input haben.
Ich bin jetzt seit zwanzig Jahren Mitglied in
diesem Gemeinderat. Wenn es eine Bürgerinnen- und Bürgerinitiative gegeben hat,
dann hat sich diese immer gegen eine konkrete Sache bzw. ein Projekt ausgesprochen, was aus dieser Situation heraus legitim sein mag. Wir im Gemeinderat haben
aber die gesamte Geschichte zu betrachten.
Daher kann man nicht sagen, dass dies die
Mehrheit der Bevölkerung ist.
Ich möchte daher Methoden haben, ob das
eine legitime Ansammlung von A oder B ist
oder sprechen wir von einem repräsentativen Schnitt?
Mag. Krismer: GR Grünbacher, Sie stoßen
hier genau in jenes Horn, welches wir mit
der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligungskultur aufzeigen wollten. Das kann sich natürlich erst mit der Zeit entwickeln. Wenn
sich die Kultur ein wenig etabliert hat, dann
wird auch die Beteiligung eine breitere sein.
Es werden dann nicht nur jene reagieren,
die unmittelbar betroffen sind. Solche Dinge
muss man zuerst einmal herausarbeiten.
Trotzdem möchte ich noch einmal auf meine eingangs gemachten Ausführungen verGR-Sitzung 8.11.2012
weisen. Es hängt von den Methoden ab
bzw. wie der Prozess konzipiert ist. Es kann
in so einem Prozess sehr wohl gewährleistet sein, dass nicht nur Einzelne schreien,
sondern sich auch andere daran beteiligen.
In einer kleinen Gemeinde wie Steinberg
am Rofan war dies leicht möglich, weil man
alle anspricht und somit zu den Leuten
kommt.
GR Grünbacher: Negativismus ist leichter
zu aktivieren als Positivismus. Das heißt,
gegen etwas zu sein, hat eine stärkere Mobilisierungskraft, als für ein Projekt zu sein.
Ich will noch einmal nachfragen, wie wir das
in den Griff bekommen. Das Wesen jener,
die schreien, ist, dass diese lauter sind. Das
ist das Thema. Die Leisen, die oft für ein
Projekt sind, stimmen zu. Diese sind aber
genauso legitim und genauso Bürgerinnen
und Bürger dieser Stadt. Daher sollten diese auch gezählt werden. Man kann nicht nur
Gegnerinnen bzw. Gegner zählen, sondern
muss auch die Befürworterinnen bzw. Befürworter nennen, denn diese stellen meistens die Mehrheit dar.
GRin Dr.in Molling: Wir haben in der Stadt
Innsbruck schon zwei Verfahren der direkten Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung
erlebt. Einmal war davon die Stilllegung der
alten Hungerburgbahn und Einführung der
neuen Hungerburg- und Nordkettenbahn
betroffen. 20.000 Unterschriften wurden
dabei einfach vom Tisch gewischt. Das Ergebnis war bei der Gemeinderatswahl
sichtbar. Die regierende Partei hat 8 % verloren.
Der Rechnungshof bescheinigt der Innsbrucker Nordkettenbahnen GesmbH (INKB) ein
ziemliches Verlustgeschäft.
Das zweite Verfahren hat die Übersiedlung
des Riesenrundgemäldes auf den Bergisel
betroffen. Wiederum wurden viele tausend
Unterschriften, zum Teil von qualitativ hochstehenden Persönlichkeiten, geleistet. Diese wurden auch einfach vom Tisch gewischt. Bei der Tiroler Landtagswahl gab es
daraufhin einen Verlust von 8 % für die regierende Partei.
Die Leute werden wahrscheinlich etwas
frustriert sein, wenn sie jetzt wieder aufgerufen werden, sich zu beteiligen. Diese haben
gesehen, dass ihre Unterschriften unter den
Tisch gekehrt wurden.