Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2018
/ Ausgabe: 02-Protokoll-22.02.2018.pdf
- S.23
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5. Zweite Republik
Kein Regime zuvor hatte in relativ kurzer
Zeit die Stadt und ihre Verwaltung - und das
auf immer - verändert. Viele der in der NSZeit eingeführten Ämter und Einrichtungen
blieben bestehen, wie das Standesamt, die
Kulturabteilung, die I.V.B. oder die Stadtwerke.
Für das Personal brachte der neuerliche radikale Systemwechsel im Mai 1945 die
dritte politische Säuberung innerhalb weniger Jahre. Fast 30 % verloren wegen ihrer
NS-Belastung sofort ihre Arbeit, es dauerte
Jahre, bis diverse Personalkommissionen
das gesamte Personal auf seine politische
Tragbarkeit untersucht hatten. Viele der
1945 Entlassenen kehrten im Laufe der
Jahre in den Dienst zurück.
Ebenfalls jahrelang dauerten die Aufräumarbeiten, es mangelte an allem, an Wohnraum, Lebensmitteln, Rohstoffen. Manche
als Kriegsämter eingerichtete Dienststellen
blieben vorerst erhalten - wie die Kartenausgabestellen. Den Eingemeindungen geschuldet war die Einrichtung einer neuen
Magistratsabteilung im Sommer 1947, die
sich um land- und forstwirtschaftliche Belange kümmerte.
1949, nach jahrelangen Verhandlungen, erhielt Innsbruck ein neues Stadtrecht, das im
Prinzip die Aufgaben des ersten Stadtrechts
wiederholte und die im Laufe der 50 Jahre
hinzugekommenen integrierte, inklusive vieler reichsdeutscher Regelungen, die die
Zweite Republik übernommen hatte.
Vielen Dank für Ihr Aufmerksamkeit!
Bgm.in Mag.a Oppitz-Plörer: Herzlichen
Dank für den ersten Einblick in diese Thematik.
GRin Mag.a Schwarzl: Unserer Fraktion war
die Aufarbeitung der Verwaltungsgeschichte
der Stadt Innsbruck immer ein großes Anliegen. Wie lange läuft das Forschungsprojekt
noch? Wird es dann eine mehrbändige Publikation geben oder woran hat man gedacht?
Dr.in Pitscheider: Ich bin mit den Forschungen zu diesem Thema soweit fertig. Allerdings weiß ich aus Erfahrung, dass sich bei
der Niederschrift erneut Fragen ergeben
können, denen man wiederum nachgehen
GR-Sitzung 22.02.2018
muss. Im Endeffekt soll daraus aber mindestens ein Buch entstehen. Soviel kann ich
heute schon sagen - es wird ein dickes
Buch.
GRin Mag.a Yildirim: Auch ich bedanke
mich für die eindrücklichen Schilderungen.
Es war hochspannend und interessant,
Ihnen zuzuhören. Mich hat überrascht, dass
es bereits im Jahr 1923 die NSDAP als
Fraktion im Gemeinderat gab. Wie stark war
diese Gruppierung und wie verlief deren
weitere Entwicklung nach dem Jahr 1938?
Dr.in Pitscheider: Die NSDAP hat im Jahr
1921 zum ersten Mal kandidiert. Den Einzug hat sie 1923 geschafft - mit einem Mandatar. Im Verlauf der 1920er Jahre heuerten
immer mehr Parteimitglieder der früheren
Großdeutschen bei der NSDAP an. Bei den
Gemeinderatswahlen im Jahr 1927 kandidierte etwa eine Einheitsliste Großdeutsche
(also die ehemaligen Deutsch-Freiheitlichen) mit der NSDAP. Es gab dann interne
Probleme, daher sackte der WählerInnenzuspruch zwischenzeitlich ab. Aber im Jahr
1933 errang die Gruppierung einen enormen Sieg bei den Gemeinderatswahlen - sicher auch begünstigt dadurch, dass Monate
zuvor im Deutschen Reich Adolf Hitler
Kanzler geworden war.
GRin Eberl: Danke für die Einführung in
diese Studie. Ich habe im Jahr 2014 einen
Antrag gestellt, die Stadt Innsbruck solle
ihre Verwaltungsgeschichte untersuchen.
Ich bin schon sehr gespannt auf das Buch.
Mein Antrag hat besonders darauf abgezielt, herauszufinden, inwieweit aktive Politiker und Beamte (man muss das in diesem
Fall gar nicht gendern, denn das waren zu
dieser Zeit alles Männer) nach dem Ständestaat und der Nazi-Herrschaft weiterhin in
der Stadtverwaltung tätig waren. Wird in
diesem Buch untersucht, wo und in welchen
Positionen diese Personen weiterbeschäftigt waren?
Dr.in Pitscheider: Ja.
GRin Mag.a Schwarzl: Noch eine kurze Zusatzfrage: Es gab doch in der Stadt Innsbruck eine Frauenpartei. Kommt dieses
Thema auch vor?
Dr.in Pitscheider: Auch das wird behandelt,
ja. Ich habe mich mit den Wahlen beschäftigt, und zwar deshalb, weil man die Verwaltung ja nicht isoliert betrachten kann. Sie