Gemeinderatsprotokolle seit 2002

Jahr: 2015

/ Ausgabe: 03-Protokoll_19.03.2015_gsw.pdf

- S.54

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- 170 -

gehören natürlich zu unserer Klientel. Bei
aller Empathie zu den Menschen, über die
wir heute sprechen und die zum Thema
geworden sind. Man kann sich nicht der
Realität verschließen, sie ist sichtbar und
bedrückend. Die Betroffenheit verstärkt sie
noch. Die Wirklichkeit ist oft nicht schön,
auch wenn man sich wünscht, dass es anders wäre.
Ich darf ein Zitat bringen, das mich sehr beeindruckt hat und in die Geschichte eingehen wird. Es stammt vom deutschen Bundesminister für Finanzen, Dr. Wolfgang
Schäuble: "Regieren ist ein Rendez-vous
mit der Realität". Treffender kann man es
gar nicht ausdrücken, was auch unsere
Verpflichtung hier im Gemeinderat ist. Die
Zeiten, in denen man die Augen verschließen wollte, konnte oder sollte, die sind vorbei. Die rosarote Brille ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen uns überlegen, wie wir
mit der Thematik umgehen. (Ich möchte das
Ganze gar nicht als Problem bezeichnen.)
In der Debatte stört mich eines gewaltig dass man das nicht sehen will, was doch alle sehen. Die BürgerInnen nehmen Tatsachen wahr und beschweren sich. Veränderung jeglicher Art macht Menschen Angst.
Manchmal hört man jemanden sagen, er sei
von den Vorgängen auf der Straße genervt.
Sogar die GRÜNEN sind von den Greenpeace-MitarbeiterInnen genervt. Wenn ich
höre, jemandem gehen die BettlerInnen auf
die Nerven, dann kann ich nur sagen, dass
ich hingegen verunsichert bin. Ich weiß
nicht, was ich machen soll, vielleicht habe
ich auch Angst. Ich muss einen Bogen um
sie machen, was nicht wirklich toll ist.
Daher verstehe ich auch die InnsbruckerInnen. Sie sind unsere Klientel und man darf
sie in der Diskussion nicht außen vor lassen. Die Diskussion soll nicht schwarz-weiß
verlaufen. Im Zuge der Beschäftigung mit
dieser Thematik habe ich viel an Grauzone
gesehen. Es kann hier nicht um Gut und
Böse gehen. Das sind wir den Menschen,
über die wir sprechen, schuldig.
Das soziale Denken, das wir wohl alle haben, muss auch ein Umsetzen fordern. Wir
brauchen Visionen und Ideen. Allerdings
sind wir hier in der Stadt Innsbruck und
können nicht auf Europaebene agieren. Wir
sind gewählt, um in dieser Stadt zu wirken -

GR-Sitzung 19.03.2015

mit Blick auf das große Ganze. Davon bin
ich eine starke Verfechterin.
Ich glaube, es ist richtig, zu erkennen, dass
dieses Thema in der Stadt Innsbruck virulent ist. Für manche stellt es ein Problem
dar. Man darf sich nicht verschließen und
sagen, es gibt ja vielleicht nur zwölf oder
vierzehn BettlerInnen. Das ist im Grunde
egal, denn sie machen den Menschen in
gewisser Hinsicht Angst. Ich kann zwar in
niemanden hineinschauen, aber ich habe
das Gefühl, dass es in diese Richtung geht.
Auf der anderen Seite bin ich überzeugt,
dass das Schwarz-Weiß-Denken zu keiner
Lösung führt und den Betroffenen (BettlerInnen und InnsbruckerInnen) nicht gerecht
wird. Deswegen werde ich mich der Stimme
enthalten. Ich glaube schon, dass man der
Realität ins Auge sehen muss. Diese Verordnung stellt für mich aber letztendlich
auch keine Lösung dar.
GRin Mag.a Schwarzl: Ich möchte mich für
diese Wortmeldung ganz herzlich bedanken, GRin Dr.in Moser. Ich finde es immer
sehr schön, wenn jemand so ehrlich seinen
Nachdenkprozess in diesem Gremium offenlegt. Ich kann Dich gut verstehen und
Deine Argumentation, dass wir für die Menschen in dieser Stadt da sein sollten, nachvollziehen. Ja, klar, wir sind auch von ihnen
gewählt worden. Die BürgerInnen haben
Ängste, die sich auf Themenbereiche in einer unglaublichen Dimension beziehen. Die
BettlerInnen sind nur ein kleiner Ausschnitt
der vielen Umwälzungen, mit denen wir
konfrontiert sind.
Ich gebe aber eines zu bedenken: Ich weiß
nicht, ob wir die Ängste nehmen können
oder doch eher verstärken, wenn wir diese
Verordnung erlassen. Schon im Vorfeld des
anstehenden heutigen Beschlusses wurde
eingeräumt, dass die Verordnung nichts lösen, sondern die BettlerInnen in andere
Straßenzüge verdrängen wird. Menschen,
die zu Ostern und zu Weihnachten in diesen
zwei Straßen nicht betteln dürfen, lösen sich
ja nicht in Luft aus. Sie werden an anderen
Orten sein, wo auch InnsbruckerInnen unterwegs sind. Handlungskompetenz und
-fähigkeit zu suggerieren, sie aber nicht zu
erfüllen, kann mitunter das Gegenteil von
dem erreichen, was man zu erreichen bezweckt. Das wollte ich noch ergänzen.