Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2018
/ Ausgabe: 08-Protokoll-Sonder-17.09.2018.pdf
- S.6
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da ist ein Grundrecht - in dem Fall die Meinungsfreiheit - eingeschränkt durch das Allgemeinwohl und durch die Rechte Dritter.
Es muss sich niemand beleidigen lassen, in
dem sich jemand auf die Meinungsfreiheit
beruft.
Es ist das also gute europäische Rechtstradition und die gesamte Raumordnung beruht darauf. Es ist dies ein von Anfang an,
also seit es sie gibt, von der Gesellschaft
gewollter und mit entsprechender verfassungsmäßiger Mehrheit beschlossener Eingriff in Eigentumsrechte.
Man kann eben nicht an jeder Stelle wie
man will, bauen, sondern nur das, was der
Bebauungsplan erlaubt. Dieser wird im Rahmen der Selbstverwaltung der Gemeinde
vom zuständigen Gemeinderat verordnet.
Ich bitte daher alle, die darüber sprechen,
die darüber berichten, das Wort "Enteignung" in diesem Zusammenhang nicht zu
verwenden. Es handelt sich um eine gesellschaftliche Regulierung des Marktes, und
zwar eines Marktes der "irre" geworden ist.
Das können wir alle jeden Tag beim Studieren der Inserate im Immobilienteil oder der
Grundstückstransaktionen sehen.
Das zweite Argument ist dann schon eher
ein pragmatisches, ein nicht so grundsätzliches: Man weiß ja nicht, ob dieser Paragraph des Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016), falls sich jemand
beschwert, hält oder vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird. Es ist ja durchaus möglich, dass eine solche Widmung gekippt wird. Das passiert dann, wenn der
Verfassungsgerichtshof befindet, dass der
Eingriff im öffentlichen Interesse unverhältnismäßig ist, also tiefer in die Rechte der EigentümerInnen eingreift, als es zur Zielerreichung notwendig und angemessen ist.
So etwas ist denkbar. Aber dazu sage ich,
zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Dieses Gesetz ist ja vom Verfassungsdienst
des Landes Tirol überprüft worden, bevor es
vom TirolerLandtag beschlossen wurde. Es
wurde mit der rechtmäßigen, verfassungsmäßigen Prozedur beschlossen und ist solange in Kraft, bis es aufgehoben wird. Ob
das jemals durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird, das wissen wir erst
dann, wenn es ein Verfahren vor dem
Höchstgericht gegeben hat.
Sonder-GR-Sitzung 17.09.2018
Das ist für mich im Übrigen ein pragmatischer Grund, dieses Gesetz anzuwenden
und zu schauen, ob es halten wird, denn
dann wissen wir es und haben wir Rechtssicherheit!
Jetzt, mit der Behauptung, es könnte sein,
dass der Verfassungsgerichtshof in einigen
Jahren diese spezielle Regelung des Raumordnungsgesetzes aufhebt, es nicht einmal
anzuwenden, - verzeihen Sie mir diesen
dummen Vergleich - das ist so, als könnte
der Verfassungsgerichtshof eines Tages befinden, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen ein unzulässiger Eingriff in die Bewegungsfreiheit des Individuums sind. Deshalb
wird dann niemand mehr gestraft, der/die
auf einer Autobahn oder in einer 30 km/hZone rast!
Es gibt noch ein weiteres, sehr wesentliches
Argument, nämlich, dass wir von einer relativ geringen Zahl von Wohnungen sprechen,
die auf diesen 28 Vorbehaltsflächen, die im
ÖROKO 2.0 enthalten waren, entstehen
könnten.
Ja, das ist richtig. Ich weiß auch, dass wir
mit Mitteln der zivilrechtlichen Vertragsraumordnung mehr geförderten Wohnraum
schaffen können als mit den Mitteln der Vorbehaltsflächen. Nach meiner Meinung verhält es sich aber so, dass es notwendig ist,
ein politisches Signal in diesen überhitzten
Markt zu senden, das da lautet: "Jetzt ist
Schluss mit lustig!" Es gibt das preisdämpfende Instrument der Vorbehaltsflächen. Wir
haben den politischen Willen und Mut, das
auch anzuwenden.
Wir sagen euch damit, dass Bauland, das
der Gemeinderat über einen langen Zeitraum - da sprechen wir von mindestens
15 Jahren - auf großen Flächen gewidmet
hat, nur zu horten, es nicht zu bebauen, in
Erwartung weiterer Preissteigerungen, etwas ist, das wir gesellschaftlich nicht mehr
dulden wollen!
Wir finden, es gehört eine Grenze eingezogen. Ein Teil - wir sprechen ja immer nur
von maximal der Hälfte - dieser Flächen ist
dem geförderten Wohnbau zur Verfügung
zu stellen. Oder, wenn das nicht innerhalb
der 10-Jahres-Frist passiert, wird in Freiland
zurückgewidmet. Das heißt dann, dass man
sich die Gewinnerwartungen endgültig "abschminken" kann.