Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2014
/ Ausgabe: 11-Protokoll_13_11_2014_gsw.pdf
- S.23
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Die zweite große Gruppe von PatientInnen
hat neurologische, psychiatrische Erkrankungen. Dafür haben wir Dr. Posch. Er ist
Anästhesist, praktischer Arzt und Psychotherapeut. Derzeit ist er auf der medizinischen Psychologie tätig. Warum steht er auf
diesem Bild vor einem Gemälde? Er hat uns
alle Gemälde für die Ordination der
medcare zur Verfügung gestellt, weil er
selbst malt.
Der Zugang zu bestimmten PatientInnen ist
teilweise extrem schwierig. So führt die offene Psychiatrie auch dazu, dass doch sehr
viele Leute aus dem System herausfallen.
Wenn keine Krankheitseinsicht besteht und
sozusagen das Persönlichkeitsrecht sehr
ausgeprägt ist, dann gibt es natürlich immer
wieder Menschen, die sich nicht im System
halten können. Es ist für die SozialarbeiterInnen eine große Herausforderung, diese
Menschen wieder ins System zurückzuführen, denn die Erkrankungen gehen von Depressionen, schizoaffektiven Störungen,
Suchtverhalten bis hin zu posttraumatischen
Belastungsstörungen.
Vielleicht noch eine Anekdote zu Neurologie
und Psychiatrie: Wir hatten einmal eine
Phase, da kamen innerhalb kürzester Zeit
fünf oder sechs Männer in die Ordination,
die mir alle erklärten, sie hätten Epilepsie
und bräuchten ein bestimmtes Medikament
gegen epileptische Anfälle.
Es war etwas irritierend, deshalb habe ich
mit der Neurologie Rücksprache gehalten.
Wir haben dann festgestellt, dass von allen,
die sich gemeldet hatten, genau einer einen
Befund auf Epilepsie hatte. Es hat sich dann
herausgestellt, dass auf der Straße dieses
Medikament verkauft wurde. Es wurde den
Leuten erklärt, wenn sie dieses einnehmen
würden, dann kämen sie ganz leicht vom
Alkohol weg. Wenn sie dann vom Alkohol
weggekommen sind, bekommen sie auch
einen Job. So sind plötzlich alle dagestanden und wollten das Medikament haben.
Es ist natürlich klar, dass wir da eingreifen
müssen. Wie man sieht, ist man natürlich
immer wieder sehr auf Informationen angewiesen. Manchmal kommen dann auch solche Dinge auf, dass irgendjemand auf der
Straße Medikamente verkauft. Ich muss dazusagen, diese Medikamente waren nicht
von uns!
GR-Sitzung 13.11.2014
Die Haut ist ein sehr großes Thema für unsere KlientInnen. Wir haben Univ.-Prof.
Dr. Matthias Schmuth von der Hautklinik im
Team. Er arbeitet einmal im Monat unentgeltlich mit. Er gibt uns aber auch die Möglichkeit, Bilder zu schicken, die er dann
auswertet. Haut ist einfach ein sehr differenziertes Gebiet der Medizin, für das man
sehr viel Erfahrung benötigt. Für uns ist es
natürlich sehr angenehm, einen solchen
Fachmann im Hintergrund zu haben.
Die Hauterkrankungen reichen vom Sonnenbrand über Ausschläge aller Art, nicht
behandelten Wunden bis hin zum Madenbefall. Also wie gesagt, bei der Haut sieht man
so ziemlich alles, was man sich nicht vorstellen kann.
Die Zähne sind auch ein ganz wichtiger
Punkt. Sie sind auch ganz stark ein soziales
Thema. Zahnbehandlung ist teuer. Menschen am unteren Ende der sozialen Kaskade haben zum Teil einen katastrophalen
Zahnstatus. Das heißt, es gibt bei uns kaum
jemanden, der ein vollständiges Gebiss hat.
Sehr häufig finden nur noch Zahnextraktionen statt. Wir haben da noch nicht den ganz
guten Weg gefunden, wie wir mit diesem
Faktum umgehen sollen. Die Klinik hilft uns
zwar, kann aber nicht alle unsere PatientInnen übernehmen.
Dann gibt es unfallchirurgische Dinge, Gynäkologie, Schwangerschaft - das haben wir
schon besprochen - Urologie, Augen. Wir
hatten einen Augenarzt, der uns alle zur
Verfügung stehenden Brillen ausgemessen
hat. Nun können wir die passende Brille
ausgeben. Die Brillen stammen ebenfalls
aus dem Depot der Caritas.
"Menschlichkeit bis zuletzt." Ich habe dieses
Bild mit diesem Satz ganz bewusst hierher
mitgebracht, weil ich an Sie, GemeinderätInnen der Stadt Innsbruck, eine Bitte habe.
Wir hatten im Dezember 2013 einen Patienten, der lange auf den Straßen Tirols unterwegs und den SozialarbeiterInnen bekannt
war. Offiziell war er staatenlos. Zu dem
Zeitpunkt, als wir ihn in der Notschlafstelle
zum ersten Mal gesehen hatten, war er
sterbend.
Eine Funkstreife der Polizei hatte ihn an jenem Abend in der Notschlafstelle - mehr
oder weniger - abgegeben. Der Mann konnte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr alleine