Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2010
/ Ausgabe: 14-Dezember-Budget-Teil2.pdf
- S.27
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sondern notwendige Forderungen, welche
diese sehr große Bevölkerungsgruppe
hat. In unserer Gesellschaft leben im
Verhältnis sehr viele Menschen mit
Handicap. (Beifall)
Wie sieht so etwas in der Praxis aus,
wenn wir von Fällen ausgehen wo es
nicht um Missbrauch bzw. Misshandlung
geht, sondern um Überforderung oder
Vernachlässigung?
GRin Dr.in Waibel: Ich möchte noch
einmal ganz speziell auf die Mag.-Abt. II,
Jugendwohlfahrt, und ihre Rahmenbedingungen eingehen. Das Bundes-Kinderund Jugendhilfegesetz stammt aus dem
Jahre 1989. Es hätte im Jahr 2010
geändert werden sollen. Aufgrund des
ausgelösten Konsultationsmechanismus
war das nicht der Fall.
Ein zehnjähriges Kind gibt einen Notruf ab
und sagt, dass die Mutter keine Luft
bekommt. Beim Eintreffen in der Wohnung stellt man fest, dass die Mutter
sechsundzwanzig Jahre alt ist und auf der
Couch liegt. In der Familie befinden sich
insgesamt drei Kinder. Der Vater ist nicht
zu Hause. Die Kinder sind zwei, acht und
zehn Jahre alt.
Die Rahmenbedingungen, unter denen
die Mag.-Abt. II, Jugendwohlfahrt,
arbeitet, sind von Bundes- und Landesgesetzgebungen und ideologischen Rahmenbedingungen abhängig. Obwohl wir
wissen, dass Multiproblemfamilien,
Gefährdungsfamilien und Gefährdungsmeldungen zunehmen, reagieren wir mit
unseren Modellen nicht adäquat.
Die Mutter hat keine Atemnot, sondern ein
psychisches Problem. Es ist eine sehr
dramatische Situation für ein zehnjähriges
Kind, einen Notruf abzugeben. Ich finde
eine Situation vor, dass ein zehnjähriges
Kind bei aufgebockten Stühlen die Küche
in einer Art und Weise putzt, dass man
vom Boden hätte essen können. Nebenbei betreut das Mädchen noch ihre
Geschwister.
Darauf folgt, dass sich anschließend die
Kritik an Fremdunterbringungen und
Auslandsunterbringungen richtet. Diese
Kritik ist zum Teil nicht gerechtfertigt, da
wir im Gemeinderat bereits 2007 beschlossen haben, dass wir, über alle
Fraktionen hinweg, ein Mutter-Kind-Heim
brauchen. Weder LH-Stellv. Gschwentner
noch LR Reheis sehen hier in irgendeiner
Form einen Bedarf.
Wir werden ohne stationäre Einrichtung in
diesem Bereich nicht das Auslangen
finden, da wir mit Leuten konfrontiert
werden, die massiv mit Problemen
behaftet sind. Die Leistungen der SozialarbeiterInnen können hier nicht in dem
Umfang erbracht werden, dass, wenn
diese Leute ambulant betreut werden, die
Sicherheit der Kinder gegeben ist.
Eine ambulante Betreuung bedeutet zum
Beispiel, dass während einer Woche ein
Sozialarbeiter zwölf Stunden vor Ort ist.
Wir haben Familien, wo die Kinder in
dieser Konstellation nicht gesichert
werden können. Wir haben Menschen,
welche Achse-II- und Persönlichkeitsstörungen haben, wo wir wissen, dass wir
längerfristig eine Fremdunterbringung
brauchen und zum Teil die Kinder ein
Leben lang nicht bei ihren Eltern belassen
können.
Wenn man sich in einer solchen Situation
befindet und annehmen muss, dass
dieses Kind dies nicht zum ersten Mal
macht, ist das eine jener Familien, die
dringend unterstützt werden muss.
Wir haben genug Kinder, welche mit
sieben, acht, neun oder zehn Jahren den
Haushalt führen, da Elternteile drogenabhängig oder alkoholkrank sind. Solche
Kinder fallen auf, da sie die Hausaufgaben nicht erledigen, keine Lesekompetenzen haben oder bei schlechtem Wetter
nicht adäquat bekleidet das Haus verlassen.
Ich glaube, dass wir uns ohne irgendwelche "Sozialromantik" dem zu widmen
haben. Es ist ganz klar ist, dass die Mag.Abt. II, Jugendwohlfahrt, das Lobbyunternehmen der Kinder ist und nicht die Eltern
zu stabilisieren hat. Wir werden Rahmenbedingungen schaffen müssen, wo man
Kinder sicher unterbringen kann.
In Österreich wird man sich auch Modelle
überlegen müssen, wie man mit Kindern
umgeht, welche jetzt im Ausland untergebracht sind, weil wir im Land Tirol keine
stationären Einrichtungen haben, welche
dem entsprechen. Eine ideologische Brille
GR-(Budget-)Sitzung 10.12.2010 (Fortsetzung der am 9.12.2010 vertagten Sitzung)