Gemeinderatsprotokolle seit 2002

Jahr: 2022

/ Ausgabe: 2022-05-19-GR-Protokoll.pdf

- S.62

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Ich habe mich das letzte Mal enthalten und
werde das heute wieder tun. Sich zu enthalten, sehe ich übrigens als demokratisches
Recht, auch wenn das GR Onay anders
sieht. Meine einfache und wiederholte Begründung dazu ist, dass es niemanden gibt
bei den GRÜNEN, die/der das machen soll.
Mir würde als Alternative niemand einfallen,
und deshalb muss ich mich enthalten.
GRin Heisz: Verkehrsdebatten führen wir in
diesem Haus sehr viele, darum würde ich
gerne kurz auf die kulturpolitischen Einlassungen eingehen, die GR Depaoli zu Protokoll gegeben hat. Ich glaube, dass es nötig
ist, hier ein paar Fakten zu klären, was die
Innsbrucker Kulturentwicklungsstrategie betrifft.
Die Prozessbegleitung wurde nach dem
Bundesvergabegesetz als Direktvergabe
nach dem BestbieterInnenprinzip vergeben.
Der Markt wurde sondiert, fünf Agenturen
wurden eingeladen Angebote zu legen, drei
haben das schließlich getan. Eine sehr
große, breit aufgestellte Fachjury aus Magistratsbediensteten aus mehreren Abteilungen, externen Fachleuten, vom Obmann
des Blasmusikverbandes über die TKI-Geschäftsführerin, bis hin zum Geschäftsführer
des Hauses der Musik haben diese Angebote geprüft. Beratend dabei war StRin
Mag.a Schwarzl als Kulturstadträtin.
Gewonnen hat diese Ausschreibung dann
das Linzer Institut für qualitative Analysen
(Liqua). Einer der beiden Vorstände dieses
Instituts ist der vorhin erwähnte MMag. Philipp.
Reden wir vielleicht kurz noch über Andreas
Hofer und versuchen auch da, ein paar Fakten klarzustellen. Seit Russland die Ukraine
überfallen hat, führen viele von uns wieder
Begriffe wie Heldentum im Mund. Viele von
uns empfinden Bewunderung für den verzweifelten Kampf der UkrainerInnen um ihre
Heimat. Wir reichen Präsident Selensky als
Helden mit einer stehenden Ovation nach
der anderen durch die Parlamente dieser
Welt.
Gleichzeitig sind wir alle verwundert bis
ohnmächtig wütend darüber, dass in Russland die ukrainische Führung als "Bande
drogensüchtiger Nazis" bezeichnet wird.
Worauf ich damit hinaus will, ist eine Binsenweisheit. Geschichtsschreibung bzw. die
GR-Sitzung 19.05.2022

Einordnung und Beurteilung historischer Ereignisse fällt je nach eigenem Standpunkt
sehr, sehr unterschiedlich aus. Was heißt
das? Nüchternheit, Sachlichkeit und kritische Distanz wären dringendst geboten immer! Auch 212 Jahre nach der Hinrichtung von Andreas Hofer.
Er war definitiv ein sehr mutiger, militärstrategisch nicht ungewitzter Mensch und hat
für seine Vorstellung von seiner Heimat sein
Leben gelassen. Er war aber auch ein antiaufklärerischer, bigotter Reaktionär, den gerade die Innsbrucker BürgerInnen unbedingt
nicht in der Hofburg wollten. Auch Kaiser
Franz Josef I. in der Bundeshauptstadt
Wien hat ihn nicht so richtig ernst genommen.
Während Andreas Hofer mit ein paar sehr
schlecht bewaffneten Bauern todesmutig
gegen die modern ausgerüsteten bayrischen und französischen Heere gekämpft
hat, ist über das Schicksal Tirols, das in dieser Zeit sehr gewechselt hat, in Wien entschieden worden. So gesehen würde ich
Andreas Hofer heute am ehesten als garantiert überforderte, eher tragische Figur einordnen.
Das Interessante an der Hofer-Rezeption
der letzten 200 Jahre ist, dass er sich als
Projektionsfigur für die verschiedensten politischen Strömungen geeignet hat. Auch Intellektuelle, die im Vormärz gegen den metternichschen Absolutismus gekämpft haben,
für den massiv und grausig anschwellenden
Deutsch-Nationalismus im 19. Jahrhundert.
Ich erinnere nur an die verstörende
Textzeile aus der Tiroler Landeshymne vom
Vogtländer Julius Mosen "Ganz Deutschland, ach in Schmach und Schmerz".
Von den Tiroler Schützen bis zu den ImpfgegnerInnen, von den Nationalsozialisten
bis zu WiderständlerInnen gegen die Nazis
und die italienischen Faschisten - ein Mythos Hofer wurde während des gesamten
19. Jahrhunderts munter gestrickt. Das ging
im 20. Jahrhundert quasi ungebrochen weiter. Die Figur Hofer lässt bis heute offensichtlich niemanden kalt.
Unzählige Denkmäler, Theaterstücke,
Filme, Biographien, wissenschaftliche Arbeiten, Andreas-Hofer-Straßen und -Plätze in
zahllosen österreichischen, aber auch deutschen Städten zeugen davon. Genauso wie