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Jahr: 2017

/ Ausgabe: 06-Protokoll_24.05.2017.pdf

- S.32

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ges Studium mit einer Arbeitsleistung von
120 European Credit Transfer System
(ECTS) Points. Das heißt, es gibt drei Präsenzsemester plus eines, das dem Abfassen der Masterarbeit im Arbeitsumfang von
30 ECTS Punkten gewidmet ist. Eine kleine
Besonderheit ergibt sich dadurch, dass sich
dieser Masterstudiengang an ein Publikum
aus der ganzen Welt richtet. Daher stellte
sich die Frage, wie man junge Menschen
aus der Karibik, Zentralafrika, Indien etc.
ermöglichen kann, dieses Studium zu realistischen Kosten in der Stadt Innsbruck
durchzuführen.
Eine der Ideen war, dass man aus diesem
üblichen Vorlesungsrhythmus von zwei
Stunden pro Woche ausbricht. Die Präsenzarbeitsleistung wurde dergestalt zusammengefasst, dass ein Semester innerhalb von zwei Monaten absolviert werden
kann. Die Arbeitsleistung pro Tag ist sehr
hoch, dadurch sinken aber die Aufenthaltskosten und es wird auch - und das ist das
besonders Interessante - eine Didaktik erforderlich, die es den Menschen zumuten
kann und darf, zwölf Stunden und mehr täglich zu studieren. Dabei gilt Anwesenheitsund Arbeitspflicht. Zusätzlich sind die üblichen Lese- und Schreibarbeiten zu erledigen, wie sie in der akademischen Welt üblich sind. Dafür mussten wir ein eigenes pädagogisches Prinzip entwickeln, das zu Anfang von einem pragmatischen Gedanken
getragen war, sich aber sehr rasch zu einer
Besonderheit entwickelt hat.
Dadurch, dass wir die Studierenden quasi
rund um die Uhr und auch am Wochenende
zur Verfügung haben, können wir einen Unterricht gestalten, wie man ihn im konventionellen Uni-Betrieb nicht anbieten kann. Wir
haben uns auch entschieden, unsere StudentInnen wohnmäßig zusammenzufassen,
sodass die Gruppe, die aus Menschen aus
aller Welt besteht, tatsächlich für jeweils
zwei Monate 24 Stunden täglich zusammen
ist und ohne Pause studiert. Für die Praxis
der Friedenslehre ist das sicherlich ein sehr
sinnvoller Ansatz, weil es uns die Möglichkeit gibt, die Leute auf Einsatzsituationen
einzustimmen. Geht man z. B. mit der Organisation Ärzte ohne Grenzen zu einem
Einsatz nach Syrien, dann ist man dort auch
rund um die Uhr im Einsatz, selbst wenn
man frei hat. Das Bedrohungsbild ist immer
präsent, die Notwendigkeit und HerausforGR-Sitzung 24.05.2017

derung, etwas zu tun, bleibt bestehen und
der Stress ist ebenfalls immer spürbar. Es
gibt Teamsituationen, die extrem herausfordernd sind, wie man es in einem normalen
Arbeitsalltag einfach nicht kennt.
All das können wir simulieren. Das geschieht auf Basis der Wissenschaftlichkeit
und der Praxisorientierung, was immer wieder Anlass zu Diskussionen gibt. Da wird
dann gefragt, was das für ein akademisches
Programm sei, wenn die Studierenden eine
Woche mit dem österreichischen Bundesheer in der Wattener Lizum herumspringen
und dort verrückte Dinge machen. Ebensolche Reaktionen gab es nach dem Programmteil in der Natur-, Wildnis- und Lebensschule Native Spirit in Pfunds. Wenn
man an Seilen hängt und auf Felsen klettert
- was hat das denn mit wissenschaftlicher
Lehre zu tun? Dahinter stehen aber die
neuesten Erkenntnisse der Friedenspädagogik bzw. der generellen Pädagogik, weil
man weiß, dass ganzkörperliches Lernen
speziell von sozialen Fertigkeiten wesentlich
effektiver ist, als nur hinter einer Bank zu
sitzen und mitzuschreiben, was ein/e ProfessorIn erklärt.
Ich habe das Prinzip der Interkulturalität
schon angesprochen. Von Beginn an haben
wir darauf geachtet, dass in jedem Semester Studierende von allen Kontinenten vertreten sind. Auch achten wir auf eine
Durchmischung hinsichtlich der Sprachen
und Weltreligionen sowie der wissenschaftlichen Disziplinen, so gut das organisatorisch geht. Wenn die StudentInnen also zum
Tiroler Bildungsinstitut Grillhof kommen und
dort in Doppelzimmern untergebracht werden, dann beginnt eigentlich der Unterricht
damit, dass z. B. ein pakistanischer Moslem
mit seinem Zimmerkollegen, einem evangelikalen Christen aus dem amerikanischen
Mittelwesten, in Frieden zusammenleben
muss. Das ist eine ziemlich gute Übung,
weil Konflikte ja manchmal schon damit beginnen, dass jemand bei offenem Fenster
schlafen will und die/der andere nicht oder
eine/r von beiden schnarcht.
Das sind dann konkret empfundene Konflikte, die wir zum Unterrichtsinhalt machen.
Die Beschwerden, dass man eine/n andere/n ZimmerkollegIn haben möchte, kommen ja sofort auf. Unsere didaktische Antwort darauf lautet natürlich nein. Wir fordern
die Studierenden auf, an dieser Frage in