Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2021
/ Ausgabe: 09-2021-07-23-GR-Protokoll.pdf
- S.32
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Meinung von GR Mag. Fritz, der das rechtlich hervorragend dargelegt hat. Interessant
ist, dass sich das Land Tirol nicht sicher
war. Damit es ja passt, wurde eine entsprechende Bestimmung in die Landesordnung
aufgenommen. Soviel zur rechtlichen Seite
der Frage.
Jetzt komme ich zum Inhaltlichen. Die
Frage eines Doppelbudgets ist keine ideologische, keine parteipolitische, sondern nur
die Frage, ob es klug ist oder nicht. Mit
einem Budget legen wir die Ausgaben für
das kommende Jahr fest. Das ist gut so,
denn damit bekommen wir alle - die Verwaltung, die Politik - Planungssicherheit für das
kommende Jahr.
Der Budgetdienst des Parlaments stellt fest,
ich zitiere:
"Die Genauigkeit der Prognose ist zeitabhängig, je länger der Prognosehorizont,
desto höher die Unsicherheit."
Das ist logisch. Je weiter ich in die Zukunft
plane, desto schwerer wird es, zu beurteilen, wie sich die Zahlen entwickeln.
Budgets helfen, Planungssicherheit zu geben, aber die Frage der Prognose ist eine
Frage der Qualität der Zahlen, Daten und
Fakten. Unbestritten ist, dass wir uns in
einer Krise befinden und dass wir im letzten
Jahr einen Nachtrag beschließen mussten,
weil sich die Dinge so stark verändert haben, dass unser ursprünglich beschlossenes Budget einfach nicht mehr gültig war.
Wir haben gut daran getan, es zu korrigieren und an die Zeit anzupassen.
Mich erinnert die Situation - da möchte ich
ein Bild zeichnen - an unsere Urlaubspläne.
Viele Leute planen schon sehr früh einen
Urlaub. Was ist in der Pandemie passiert?
Man musste die Urlaubsplanung völlig verändern. Das wissen wir als Tourismusland.
Es wurde die räumliche und zeitliche Distanz verringert. Das heißt, die Leute sind
entweder weniger weit weggefahren oder
sie haben kurzfristiger geplant und damit
mehr Raum für Flexibilität geschaffen.
Man kann das auf die Budgeterstellung umlegen: Wenn wir Flexibilität haben wollen,
was im Jahr 2023 passieren soll, ist es klug,
nicht jetzt schon alles für das Jahr 2023
festzulegen, denn damit nehmen wir uns
Flexibilität. (Beifall)
GR-Sitzung 23.07.2021
(GR Mag. Krackl: Das wäre für ein Doppelbudget 2023/24 auch so.)
Das ist richtig, aber da gilt, dass wir hoffentlich mit der Pandemie durch sind und vor
einer Wahl stehen.
Ich habe dann geschaut, welche Prognosen
uns jene Institution liefert, die vom Städtebund dazu beauftragt ist. Das Zentrum für
Verwaltungsforschung (KDZ) schreibt in der
Prognose vom Juni 2021, dass die Hilfspakete des Bundes zwar dazu beigetragen haben, die befürchteten kommunalen Liquiditätsprobleme für die Jahre 2021 und 2022
abzuwenden, aber wenn nicht gegengesteuert wird, schmelzen bis zum Jahr 2024
die finanziellen Spielräume und erreichen
erneut ein kritisches Niveau.
Ich kann noch die Zahlen dieser Prognose
der Jahre 2019 bis 2024 vorlegen. Für diesen Zeitraum prognostiziert das KDZ, dass
es insgesamt 7 % Steigerung bei den Ertragsanteilen geben wird. Auf so viele Jahre
nur 7 %! Das heißt pro Jahr 1,1 % bei einer
Inflationsentwicklung, die mit 1,7 % bis
1,8 % pro Jahr angesetzt wird, und einer
Umlagenentwicklung von jährlich 4,3 %.
Wir gehen einer Schere mit nur zart steigenden Abgabenertragsanteilen, aber stärker
steigenden Ausgaben für die Gemeinden
entgegen. Wir sind also in einer unsicheren
Zeit. Das Bild, das ich gebraucht habe: Wir
budgetieren quasi in den Nebel hinein. Daher bin ich fachlich zur Überzeugung gekommen, dass es jetzt in der Krise nicht
klug ist, für zwei Jahre zu budgetieren, weil
dann meiner Einschätzung nach, GRin
Mag.a Seidl hat es schon betont, viele Nachtragskredite und Anpassungen notwendig
sein werden.
Die Budgeterstellung in Zeiten von Corona
leidet daher nicht nur - sagt das KDZ - unter
den Folgen des schwer einzuschätzenden
kurz-, mittel- bis langfristigen wirtschaftlichen Einbruchs und den damit verbundenen
verminderten Steuereinnahmen bzw. erhöhten Ausgaben. Das ist das Problem, vor
dem wir stehen.
Ich sehe heute eine Mehrheit für ein Doppelbudget. Ich bitte aber, wenn sich herausstellt, dass die Zahlen nicht halten, es dann
nicht heißt, Herr Bürgermeister hat die
Budgetwahrheit nicht eingehalten. (Beifall,
Unruhe im Saal)