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Jahr: 2013

/ Ausgabe: 09-Juli-geschwaerzt.pdf

- S.33

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- 591 -

Realität ist, dass die Fakten über die zwei
genannten Personen zum Zeitpunkt der
Vergabe auf dem Tisch lagen. Fakten dieser Art dürfen nicht mehr ignoriert werden.
Damals war es eine politische Notwendigkeit und im Interesse so mancher, die Tatsachen unter den Teppich zu kehren. Das
darf nicht mehr passieren. Netzwerke wird
es immer geben, aber wir als Stadt Innsbruck müssen Zeichen setzen und ihnen
entgegentreten.
Wir müssen aus der Geschichte lernen.
Bisher gelang das nur selten. Wenn ich mir
die Redebeiträge so anhöre, dann sind wir
in dieser Thematik (zumindest zum großen
Teil) auf einem guten Weg.
Ich finde die Semantik des Wortes "Aberkennung" schön. "Widerruf" oder "Erlöschung" wäre ein Signal, das wir nicht setzen dürfen. Mit diesen Begriffen würden wir
das Kapitel einfach aus der Stadtgeschichte
streichen und damit auch die Fehler, die
begangen wurden. Es würde bedeuten, sich
nur heute, bei dieser Sitzung, mit dem
Thema auseinanderzusetzen und es danach als erledigt zu betrachten. Diesen
Schritt sollten wir nicht machen.
Die Stadt Innsbruck hat in den letzten Jahren immer wieder demgemäß gehandelt, z.
B. wenn es um Straßennamen ging, die
nach Menschen aus einem politisch fragwürdigen Spektrum benannt worden sind. In
solchen Fällen haben wir nicht einfach die
Tafeln entfernt, sondern versucht, die Problematik bewusst und öffentlich zu machen.
Genau das muss in unserer heutigen Debatte auch passieren.
Es ist nicht zielführend, die Geschichte zu
löschen. Wir müssen uns mit den Fehlern,
auch jenen der Politik, für die wir ebenfalls
hier verantwortlich sind, auseinandersetzen
und sie uns bewusst machen. Aus der Geschichte zu lernen heißt auch, die vorhin
genannten Systeme zu kritisieren, die begangenen Fehler zuzugeben und ins öffentliche Bewusstsein zu bringen. Wir sind aufgefordert, daraus die Konsequenzen zu
ziehen und unser Bestes zu geben, damit
etwas dieser Art nie mehr passieren kann.
Das sollte unsere Devise heute und für die
Arbeit der kommenden Jahre sein.
StR Pechlaner: Es wird wohl niemanden
mit Herz und Gefühl geben, der diese Studie lesen kann, ohne Tränen in den Augen
GR-Sitzung 11.7.2013

zu haben. Der eine Täter ist Priester und
Pädagoge, der andere begünstigter Nationalsozialist im Landesdienst und Jugendbetreuer über Jahrzehnte. Die Opfer sind drei
bis sechzehn Jahre alte Buben, meist aus
ärmlichen oder mittellosen Verhältnissen.
Wenn wir heute in einer historischen Stunde
Ehrenzeichen der Stadt Innsbruck aberkennen, dann geben wir der Wahrheit die Ehre.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, was das Gegenteil von Ehre ist:
Schande. Schande nicht nur für die beiden
Übeltäter, sondern Schande auch für diejenigen, die wussten, was Sache ist und die
Fakten verdeckt haben.
Vertuscht wurden unfassbare Erniedrigungen, Verletzungen der menschlichen Würde, massive Demütigungen und das Klima
bzw. System der Gewalt und der Angst. In
beiden besprochenen Fällen zeigt sich deutlich, welche Rolle die zeitliche Dimension
und das vorherrschende Sittenbild spielen.
Das darf aber keine Entschuldigung sein.
Es macht schon betroffen, dass diese abscheulichen Taten zumindest teilweise bekannt waren. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Wenn man in dieser Studie genau nachliest,
wird ganz klar, dass die Politik, aber auch
einzelne Medien schuldig zu sprechen sind.
Die heutige Aberkennung ist für mich ein
deutliches Zeichen der Entschuldigung an
all jene, die unter diesen beiden Tätern gelitten haben. Buben, die nicht nur körperlich,
sondern auch seelisch gefoltert wurden.
Genauso wie die, die kein Leben haben
durften, weil ein fanatischer Nationalsozialist sie zu Kriegsende in eine Schlacht führte.
Aus meiner Sicht ist es schade, dass beide
Personen diesen Tag für die Menschlichkeit
und Gerechtigkeit, diesen Tag der Entschuldigung nicht miterleben können. Gewalt gegen Kinder existiert auch heute noch
vielerorts. Die Aberkennung dieser Ehrenzeichen ist ein klares Signal der Stadt Innsbruck, dass sie Gewaltausübung in keiner
Weise duldet. In diesem Sinne sollten wir
alle immer wachsam sein und helfen, die
Zivilcourage zur Aufdeckung von Gewalt
und Missbrauch zu stärken.
GR Dr. Stemeseder: Richtig ist, dass "System" ein soziologischer und kein juristischer
Begriff ist. Ob die Wahrheit noch ein juristi-