Gemeinderatsprotokolle seit 2002

Jahr: 2013

/ Ausgabe: 09-Juli-geschwaerzt.pdf

- S.34

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scher Begriff ist, diese Frage werden die
meisten Juristen verneinen. Ich selbst meine, er hat mit Legitimität und Moral zu tun.
Persönlich finde ich es prinzipiell schwierig,
verstorbenen Menschen die Ehre abzuerkennen. Fakt ist, dass uns für die hier behandelten Fälle entweder Zeugenaussagen
(Pater Magnus Kerner OFMCap.) oder
Strafanzeigen (Hermann Pepeunig) vorliegen. Ich oute mich hier als Herz-JesuMissionar, der die gruseligsten Dinge selbst
gesehen hat. Das bezieht auch Aufstand
und Widerstand mit ein. Inzwischen stehe
ich drüber und habe auch keinen Vorbehalt
gegen irgendwen.
Heute müssen wir da durch und ein Zeichen
setzen. Frau Bürgermeisterin hat von einer
Zeitenwende gesprochen. Ich hoffe, dass es
so ist. Wir sollten auch an die jungen Leute
denken, die momentan im Gefängnis sitzen
(Jugendgefängnis gibt es ja nicht mehr) und
sich - zynisch gesprochen - aneinander erfreuen. Es gibt auch dort TäterInnen und
Opfer.
StR Mag. Fritz: Ich finde es auch ganz
wichtig, nichts aus der Geschichte zu löschen. Darauf hat GRin Reisecker schon
hingewiesen. Es wäre ein Kennzeichen eines totalitären Regimes, wenn man glaubt,
Menschen ihre Geschichte rauben oder
etwas aus der Geschichte streichen zu können. Die Beispiele von historischen Fotos,
die der jeweilige Diktator retuschieren ließ,
um einen Rivalen oder Verräter verschwinden zu lassen, dürften wir alle im Kopf haben.
Milan Kundera sagt zu Recht, dass es ein
Zeichen des Totalitarismus ist, den Menschen ihre Geschichte rauben zu wollen.
Die Kenntnis der Geschichte und die Fähigkeit, mit ihr umzugehen, gehören ganz wesentlich zu einer demokratischen Gesellschaft.
Wir wollen hier nichts streichen, sondern
versuchen, etwas nachträglich klar zu machen. Deshalb finde ich es so erschütternd,
wenn in der Zusammenfassung der Studie
steht, dass die Ehrungen damals in den
1980er Jahren erteilt wurden, weil der
grundsätzlich gewalthafte Charakter des
Fürsorgeerziehungssystems gesellschaftlich
akzeptiert und mehrheitlich hingenommen
wurde.
GR-Sitzung 11.7.2013

Wir haben uns glücklicherweise weiterentwickelt, darauf hat StR Pechlaner schon
hingewiesen. Dieser Teil der Geschichte ist
abgearbeitet. Die "g"sunde Watsch"n" ist
heute nicht nur gesetzlich verboten, sondern wird auch gesellschaftlich zum überwiegenden Teil nicht mehr toleriert. Wir alle
lehnen Gewalt ab. Wir haben einen gewissen Fortschritt gemacht, müssen aber immer noch wachsam sein. Es gilt zu jedem
Zeitpunkt, gegen Gewalt aufzutreten, da
schließe ich mich StR Pechlaner an. Zur
damaligen Zeit hat man in der Fürsorgeerziehung Gewalt noch als probates Mittel
gesehen.
In anderen Zusammenhängen drängen sich
allerdings Fragen auf, die noch nicht ganz
klar zu beantworten sind. Eine davon möchte ich kurz anführen: Was veranlasste nach
der Befreiung 1945 ausgewiesene AntiNationalsozialistInnen - also KatholikInnen in der Tiroler Landesregierung, fanatische
NationalsozialistInnen als wesentliche MitarbeiterInnen für die Jugendarbeit anzustellen? Sie werden das weder aus Jux und
Tollerei noch aus Bösartigkeit gemacht haben.
Es wird wohl irgendwelche Sachzwänge
gegeben haben. Vielleicht war es der gute
Wille, ehemalige NationalsozialistInnen ins
demokratische System einzufügen und
dadurch zu bessern. Vielleicht lagen dem
auch ganz banale Klientel-Rücksichten zu
Grunde. Man weiß, dass es zwischen den
damaligen Parteien einen gewissen Wettbewerb um die Einbeziehung der ehemaligen NationalsozialistInnen gegeben hat. Ich
glaube, dass es für diese Thematik noch
zeitgeschichtlichen Forschungsbedarf gibt.
Ich ziehe aus dieser Debatte folgenden
Schluss: Als Einleitung einer Zeitenwende
und als Ausdruck eines hohen Verantwortungsgefühls werden wir heute Ehrenzeichen der Stadt Innsbruck aberkennen und
feststellen, dass die Verleihung in den
1980er Jahren durch den Gemeinderat der
Stadt Innsbruck eine Schande war. Wir sollten dabei aber nicht mit dem Finger zeigen
und uns im Geiste denken: "Herr, ich danke
dir, dass wir besser sind als die damals!"
Vielmehr sollte uns das Ganze zu einer gewissen Demut bringen und uns ermahnen,
vor wichtigen Abstimmungen dreimal nachzudenken. Wir sind nicht davor gefeit, auch