Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2013
/ Ausgabe: 09-Juli-geschwaerzt.pdf
- S.36
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aber nicht, dass die Ehrenzeichen an sich
durch die Vorkommnisse Schaden erlitten
haben. Es ist immer die Entscheidung der
VerantwortungsträgerInnen ihrer Zeit, eine
Auszeichnung zu vergeben.
Ich bedanke mich für den konsequenten
Schritt, den wir nach der Opferschutzkommission gegangen sind, initiiert von Betroffenen. Die heutige Aberkennung ist keine geschichtliche Wegwisch-Aktion. Im Gegenteil, wir dokumentieren durch die Debatte, dass wir dieses Zeichen ganz bewusst
setzen. StR Mag. Fritz hat im Stadtsenat
dieses Zitat gebracht, dass wir froh sein
können, auf Basis unseres heutigen Wissens diesen Schritt zu unternehmen und in
eine Richtung zu weisen. In die Zukunft
blickend sollten wir mit mehr Umsicht und
Demut unsere Urteile fällen.
Es ist aus Sicht der Innsbrucker Volkspartei
(ÖVP) klar, dass wir dem Aberkennungsantrag zustimmen und versuchen werden,
weitere Diskussionen in diesem Zusammenhang zu führen. Ich bedanke mich bei
allen Beteiligten, von den WissenschaftlerInnen bis zu den politischen EntscheidungsträgerInnen, die dieses Thema, auch
wenn es so sensibel und bedrückend ist,
weiterbehandeln werden. Dank auch an
jene Persönlichkeiten, die ich kennenlernen
durfte, die die Problemstellung aufgebracht
haben im Wissen, damit keine Genugtuung
zu erzielen, sondern eine persönliche Herausforderung anzunehmen.
Bgm.-Stellv.in Mag.a Pitscheider übergibt
den Vorsitz an Bgm.-Stellv. Kaufmann.
Bgm.-Stellv.in Mag.a Pitscheider: Ich
möchte den heute schon erwähnten Begriff
der "g"sunden Watsch"n" korrigieren. Eine
solche gibt es nicht. Es gibt nur Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen. Wir
sprechen auch nicht über ein System der
"g"sunden Watsch"n", das damals und teilweise auch heute noch von Gesellschaftsschichten akzeptiert wurde und wird. Wir
reden über ein System der puren Gewalt,
das muss uns klar sein.
Heute stehen zwei Täter zur Debatte, die
Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen ausgeübt haben. Es geht um zwei
Personen, deren Gewalttaten bekannt waGR-Sitzung 11.7.2013
ren, und die trotzdem die Ehrenzeichen der
Stadt Innsbruck verliehen bekamen. Genau
deshalb müssen wir die Verantwortung
übernehmen, diese Ehrungen abzuerkennen und uns bei den betroffenen Kindern,
denen nie ein Wort geglaubt wurde, entschuldigen. Ich hoffe, dass wir heute ein
einstimmiges Ergebnis für diese Aberkennung zustande bringen.
Bgm.-Stellv.in Mag.a Pitscheider übernimmt den Vorsitz von Bgm.-Stellv. Kaufmann.
GRin Moser: Wenn man hier in die Runde
schaut, dann sieht man die tiefe Betroffenheit. Auch ich empfinde so, vor allem wenn
ich über die aktive Vertuschung und die
Uneinsichtigkeit der Täter höre.
Ich erinnere mich, dass in der Zeit meines
Aufwachsens in den 1960er und Anfang der
1970er Jahre bekannt war, was in der "Bubenburg" passiert ist. Auch wusste man,
was in St. Martin geschehen ist. Wenn ich
heute daran denke, bekomme ich eine
Gänsehaut. Es wurden riesige Fehler begangen.
Das Wort "Aberkennung" ist mir fast noch
zu wenig, ich habe mir gedacht, man könnte
ein "Asozial-Zeichen" erfinden. Wir sollten
vielleicht noch weiter gehen und alle EhrenzeichenträgerInnen der Stadt Innsbruck
näher unter die Lupe nehmen. Die Aberkennung der Ehrenzeichen für die zwei Genannten ist das einzig Richtige, was wir hier
tun können.
GR Kritzinger: Eigentlich wollte ich gar
nicht zum Thema Stellung nehmen. Dass
ich nun dennoch das Wort ergreife, das hat
die Überlegung von StR Mag. Fritz bewirkt,
was wohl die Tiroler Landesregierung damals bewogen haben könnte, solche Leute
einzustellen.
Heute, nach 20 bzw. 60 Jahren, hat man
durch die ExpertInnenkommission andere
Einblicke erhalten. Vieles hat man damals ja
nicht gewusst. Außerdem wird ja nirgendwo
so viel gelogen wie in der Politik. Davon
können wir uns heute überall, z. B. bei
Fernsehsendungen, überzeugen.
Anderen Menschen Schuld zu geben für
das, was sie getan haben, ist aus unserer