Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2019
/ Ausgabe: 12-Protokoll-12-12-2019.pdf
- S.74
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muss im öffentlichen Raum von armutsgefährdeten und von Armut betroffenen Menschen erlaubt sein. Sie dürfen nicht aus
der Stadt verbannt werden. Für uns
GRÜNE ist daher die Aufhebung des Bettelverbotes auf Märkten eine ganz klare
Maßnahme gegen soziale Ausgrenzung
und Kriminalisierung von armutsgefährdeten Menschen.
Leider gibt es in dem Zusammenhang immer wieder große Missverständnisse. Dieser Punkt ist uns Innsbrucker GRÜNEN
besonders wichtig. Die Menschen, die vor
allem aus Osteuropa zu uns betteln kommen, tun das, um für sich selbst, also für
ihre eigenen Bedürfnisse, zu betteln.
Sie kommen zu uns, um für ihre Kinder
das Schulgeld zu erbetteln oder die Ausgaben für Medikamente und Arztkosten für
ihre Familien zu erwirtschaften. Sie kommen, weil sie keine andere Möglichkeit sehen. Kranke, Alte und Kinder kommen
nicht aus ihren Dörfern, um für sich zu betteln. Das ist ausgeschlossen und undenkbar.
Natürlich kommen diejenigen mit den
größten "Erfolgsaussichten". Das sind oft
Menschen mit Einschränkungen, Behinderungen oder Menschen, die ein Musikinstrument spielen, damit sie als StraßenmusikantInnen auftreten können.
Dass sich dabei NachbarInnen in einer
Ortschaft zusammentun und sich die Fahrt
in das Ausland oder die Unterkunft im
Ausland gemeinsam organisieren, gehört
zum "organisierten Betteln". Die Fahrt und
die Unterkunft werden gemeinsam organisiert. Sie schauen untertags aufeinander
und treffen sich am Abend, um sich gegenseitig zu unterstützen. (Unruhe im
Saal)
Das gehört für uns GRÜNE zu einer differenzierten Sichtweise auf das Betteln. Ich
kann die Erheiterung darüber leider überhaupt nicht teilen. Es gibt eine Dokumentation, die jetzt elf Jahre alt ist. Seit elf
Jahren hat jede/r in diesem Raum die
Möglichkeit, sich den Film von Ulli Gladik,
das ist eine Filmemacherin aus Graz, anzusehen. Sie hat "Natascha", das ist ein
fiktiver Name, zwei Jahre lang begleitet
und schonungslos die Realität gefilmt. Den
Film könnt Ihr Euch alle von mir ausleihen.
GR-Sitzung 12.12.2019
Darin wird aufgezeigt, wie so ein Leben
abläuft.
Es geht auch um den Schutz bettelnder
Menschen. Eine Frau mit einer Behinderung geht nicht alleine ins Ausland und
setzt sich auf die Straße. Das ist mit großer Unsicherheit verbunden. Jedenfalls
hat sich Ulli Gladik sehr eindringlich mit
der Thematik befasst und ein Zeitdokument geschaffen, das sehr beeindruckend
ist.
Ich habe nicht den Eindruck, dass hier irgendetwas geschönt, erlogen oder erdichtet wurde. Es wird auch festgehalten, dass
diese "Natascha" für ihren kleinen Sohn
das Schulgeld erbettelt. Sie braucht keine
Kleidung oder Nahrung für sich selbst,
sondern Geld, damit ihr Kind irgendwann
aus der Armutsfalle aussteigen kann.
Weiters braucht sie auch Geld für die Arztkosten ihrer kranken Mutter. Diese erbettelt sie in Graz. Das ist Armut, bei der ich
mir denke, wie mutig jemand sein muss,
den Entschluss zu fassen, ins Ausland zu
fahren und sich in einer fremden Stadt unter fremden Menschen auf die Straße zu
setzen und sich derartig zu demütigen.
Das ist nämlich eine Demütigung, die man
aushalten muss.
Diese Bettelfahrten sind laut Ulli Gladik
notwendig. Sie zeigt auch, dass es viele
Menschen machen, um überhaupt ein
Überleben in bescheidensten Verhältnissen zu sichern. Hier geht es nicht um Leben, sondern um Überleben.
Trotz der Erheiterung in der Mitte des
Raumes möchte ich mich für das große
Kommitment für armutsbetroffene und armutsgefährdete Menschen bedanken, das
es in diesem Raum gibt. Wir haben des
Öfteren nicht den gleichen Zugang und
nicht die gleiche Sichtweise. Oft spießt es
sich an einzelnen Wörtern und Formulierungen. Trotzdem sind wir hier - glaube ich
- alle der Meinung, dass es gilt, die Armut
zu bekämpfen und nicht die armen Menschen. (Beifall)
GR Lassenberger: Zur Geschäftsordnung. Ich ersuche um Feststellung, ob
diese Aussage so richtig ist: Es hieß, dass
der Hauptantrag zurückgezogen und ein
Abänderungsantrag eingebracht wird. Ich
möchte das bitte noch einmal klarstellen,