Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2021
/ Ausgabe: 2021-11-17-GR-Protokoll.pdf
- S.13
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Die 16-jährige Innsbruckerin Ronja hat kürzlich einen offenen Brief geschrieben, den
ich für sehr repräsentativ halte. Ich zitiere:
"Wir waren lange aus unserem sozialen
Umfeld gerissen und der Großteil meiner
Freunde tut sich schwer, sich wieder zu integrieren, wie z. B. in der Schule.
Für viele junge Leute ist für geraume Zeit
der menschliche Umgang miteinander ausgefallen, was in vielen Ängste ausgelöst
hat. Mein Freundeskreis versucht sich gegenseitig aufzubauen und einander Motivation zuzusprechen, doch momentan ist es
trotz allem problematisch."
Alles, was mit der Medizin zu tun hat, liegt
außerhalb unseres Gestaltungsspielraumes.
In diesem Bereich können wir als Stadt
Innsbruck nicht viel unternehmen. Unser
Handlungsspielraum ist hier sehr eingeschränkt, jedoch haben wir eine große Mitverantwortung im Bereich der Prävention!
Die Frage ist, wird in der Stadt Innsbruck
genügend unternommen? Es werden Anstrengungen im schulischen und außerschulischen Bereich unternommen. Reicht
das aus? Sehen wir uns die letzten veröffentlichten Zahlen an, reichen unsere Anstrengungen nicht!
Was wir im Moment brauchen, ist, dass wir
uns alle an einem Tisch zusammensetzen.
Ich spreche gar nicht davon, dass man parteipolitisch zusammenfinden muss, sondern
davon, allen Menschen, die momentan in
fordernden Berufen arbeiten, und den Jugendlichen zuzuhören. Wir müssen gemeinsam an einem ganzheitlichen Präventionskonzept arbeiten!
Es gibt ein Sprichwort: Für die Erziehung
eines Kindes braucht es ein ganzes Dorf.
Wir müssen uns zusammensetzen! Viele
Menschen - auch ich - sind der Meinung,
dass die psychische Gesundheit von Kindern ein akutes Problem darstellt. Dieses
Thema muss priorisiert werden, auch in der
Budgeterstellung der kommenden Jahre.
Es muss jetzt gehandelt werden! Das verlange ich von der Stadt Innsbruck und von
uns allen. Ich bitte jeden/jede, Konzepte auf
den Tisch zu legen, damit wir schauen können, wo es Synergien gibt und wie wir
Mehrheiten finden können. Es ist keine
Frage der Parteipolitik, sondern eine Frage
GR-Sitzung 17.11.2021
des politischen Handwerks, das ich von den
amtsführenden StadträtInnen und Herrn
Bürgermeister einfordere. Es geht um Kinder, Jugendliche, Gesundheit und um die
Finanzen!
GRin Mag.a Klingler-Newesely: GR Onay,
danke, dass Du dieses wichtige Thema ausgewählt hast. Ja, die Lage ist ernst. Psychische Auffälligkeiten und Störungen sind
nach wie vor ein Tabuthema.
Noch immer wird die Meinung vertreten,
dass solche Probleme bei Kindern während
des Erwachsenwerdens von selbst verschwinden bzw. sollen sich Betroffene von
psychischen Störungen einfach zusammenreisen, denn es geht uns allen ja nicht besonders gut. Das stimmt aber nicht! Wir
müssen hinschauen und handeln.
Etliche Studien belegen, dass ein zu hoher
Prozentsatz von Kindern und Jugendlichen
unter Ängsten leidet. Sie haben Zwangsstörungen, Depressionen, Essstörungen, suizidale Gedanken und leiden unter psychosomatischen Beschwerden.
Die Pandemie, und auch das zeigen Studien, hat die Situation durchaus massiv verschärft. Durch die verordneten Maßnahmen
sind die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen deutlich zu kurz gekommen. In
diesem Alter haben Kinder und Jugendliche
wesentliche Entwicklungsaufgaben zu bewältigen, doch die Pandemie beeinflusst sie
bereits seit eineinhalb Jahren.
Ich möchte darauf hinweisen und auch aus
der Praxis berichten: Jetzt ist es nicht viel
besser. Durch die neuen Maßnahmen wurden erneut Ausflüge und Schulveranstaltungen verboten und es dürfen keine externen
Personen die Schule besuchen. Das heißt,
alles, das Unterrichtsleben von Jugendlichen und Kindern lebendig Machende,
wurde wieder gestrichen.
Jugendliche konnten Entwicklungsaufgaben
nicht bewältigen und können es nach wie
vor nicht ganz. Das bedeutet, sie können
die Selbstständigkeit nicht gut entwickeln
und haben nur wenige außerfamiliäre Beziehungen. Es kommt zu Abnabelungsprozessen. Unter gewissen Umständen können
sich Kinder nicht so sozialisieren, wie es einer normalen Entwicklung entspricht. Durch
den Wegfall der außerfamiliären Beziehungen kann sich auch der Selbstwert nicht