Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2021
/ Ausgabe: 2021-11-17-GR-Protokoll.pdf
- S.94
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Man findet im Staatsgrundgesetz aus dem
Jahr 1867 das Recht auf Eigentum. Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes
(VfGH) zu allen Fragen, auch der Vertragsraumordnung, geht aus meiner Sicht leider
von der zumindest für die heutige Zeit etwas
weltfremden Sicht aus, dass es immer und
überall darum gehe, kleine EigentümerInnen vor staatlicher Willkür zu schützen.
Es sind aber in Wahrheit gerade in städtischen Großräumen diese, die den Schutz
brauchen, nicht die großen GrundeigentümerInnen. Es sind die Gemeinden in Vertretung ihrer BürgerInnen, die mit allen Mitteln
dafür sorgen müssen, auch raumordnerisch
in das Eigentum, das nicht unbeschränkt
sein sollte, einzugreifen. Da hinkt unsere
Verfassungsrealität der tatsächlichen Realität hinterher.
Nochmals, es geht nicht darum, kleine
EigentümerInnen vor der Willkür des Staates zu schützen. Es geht darum, gerade den
Gemeinden für ihre BürgerInnen in der
Raumordnung gewisse Eingriffsrechte zu
geben, damit ein Grundbedürfnis wie Wohnen auch durch die Kommunen gesichert
werden kann. Grund und Boden ist nicht
vermehrbar. Die Bevölkerung nimmt aber
zu. Wir müssen die Möglichkeit haben, auch
durch Eingriffe der öffentlichen Hand leistbaren Wohnraum für die BürgerInnen zu
schaffen.
Dem immer nur entgegenzuhalten, dass wir
für das unbeschränkte Recht auf Eigentum
sind, das ist, glaube ich, unter den heutigen
Bedingungen kein vertretbarer, kein unsere
Gesellschaft weiterbringender Standpunkt.
Gerade deshalb brauchen wir auch die verschiedensten Instrumente.
Damit komme ich zu meinem dritten Gesichtspunkt. Es wurde die Vertragsraumordnung öfter angesprochen. Die steht gerade
wegen der verfassungsrechtlichen Situation
und der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) auf relativ schwachen Beinen.
Es ist richtig, was GR Appler dankenswerterweise angesprochen hat. Seit mehr als
20 Jahren machen wir in der Stadt Innsbruck Vertragsraumordnung, aber bitte nicht
auf der Grundlage des Tiroler Raumordnungsgesetzes (TROG), sondern aufgrund
der sehr kreativer Anwendung einer Verbindung von Zivilrecht und öffentlichem Recht.
GR-Sitzung 17.11.2021
Das ist juristisch abgesichert, auch durch
jahrelange Praxis, aber befindet sich juristisch schon auch auf dünnem Eis. Wir tun
das in aller Verantwortung für unsere BürgerInnen, aber nicht mit dem TROG im Rücken. Wir versuchen eher mit unserer eigenen rechtlichen Kreativität, uns Möglichkeiten zu schaffen, doch in den Grundstücksmarkt und in die raumordnerische Entwicklung einzugreifen. Gerade deshalb brauchen wir einen gut gefüllten Werkzeugkoffer
mit den verschiedensten Argumenten und
seien sie auch nur Drohkulisse.
Es ist hilfreich, wenn man sagen kann, dass
- wenn wir uns mit EigentümerInnen nicht
einigen - wir auch andere Instrumente haben. Das ist einer der Gründe, warum ich
GR Mag. Plach dankbar bin, dass er diesen
Vorstoß unternommen hat und die Anwendbarkeit dieses Gesetzes nun geprüft haben
will.
Ich komme zu den Vorbehaltsflächen, die
jetzt zwar nicht beschlussgegenständlich
sind, aber von GR Mag. Krackl und
GR Appler angesprochen wurden. Es gibt
zwei Arten von Vorbehaltsflächen. Jene
nach § 31 TROG und jene nach § 52 Abs. a
TROG. GR Mag. Krackl hat sich auf letzteren bezogen. Das ist der Eingriff in gewidmetes Bauland mit der Drohung der Rückwidmung. Damit soll über bereits gewidmetes Bauland, wenn es länger als zehn Jahre
nicht bebaut wurde, die Widmung als Vorbehaltsfläche für geförderten Wohnbau darübergelegt werden. Das ist etwas anderes
als eine Umwidmung von Freiland in Vorbehaltsflächen nach § 31 des TROG.
Es ist die Frage aufgetaucht, warum das
nicht passiert ist? Die Rückwidmung von
nicht genutztem Bauland oder die Rückwidmungsdrohung nach TROG § 52 Abs. a
wurde praktisch zwei Jahre lang im Ausschuss für Stadtentwicklung, Wohnbau und
Projekte intensiv diskutiert. FI und ÖVP waren dafür nicht zu haben, immer mit der Erklärung, dass sie sich nur die Anwendung
von § 31 TROG vorstellen könnten.
Dazu hat GR Mag. Krackl direkt an mich die
Frage gestellt, warum das nicht gemacht
wurde. Ich kann nur sagen, das geschah
aus einem guten Grund! Denn es war mindestens 20 Jahre Tradition in der Innsbrucker Stadtentwicklungspolitik, die ich von
meiner direkten Vorgängerin, StRin