Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023-03-23-GR-Protokoll.pdf
- S.26
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Europa ist etwas, was in den Regionen,
Städten und Gemeinden Österreichs nicht
nur ankommen muss, sondern in Wahrheit
auch aus den Städten und Gemeinden Österreichs mitgeboren wird. Die Einladung
nach Innsbruck ist für mich immer eine
schöne Gelegenheit. Ich habe ursprünglich
geglaubt, dass ich meinen Besuch noch mit
einer Skitour in der Gegend verbinden
könnte. Das ist sich aber aus anderen terminlichen Umständen nicht ausgegangen.
Ich bin deshalb aber auch gerne hier, weil
sich in meiner Zeit, als ich noch in der Kommunalpolitik in der Bundeshauptstadt Wien
war, sehr oft eine gute Zusammenarbeit mit
der Stadt Innsbruck ergeben hat. Dies in
vielen stadtpolitischen Themen, wie z. B.
der gemeinsame Kampf gegen die damals
zwanghaft geplante Liberalisierung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und
der Dienstleistungen der Daseinsvorsorge
kommunaler Betriebe usw.
Es waren Alt-Bürgermeister DDr. van Staa
und der damalige Wiener Bürgermeister
Dr. Häupl, die gemeinsam eine über alle politischen Grenzen hinweg eine starke Message nach Europa geschickt haben, dass
die Städte die Freiheit brauchen, ihre Dinge
zu organisieren.
Ich habe im Europawahlkampf immer den
Slogan "Mensch statt Konzern" geprägt. Damals war noch keine Rede von einer
Coronakrise oder dem Ukraine-Krieg. Wir
merken aber jetzt, dass sich in Zeiten von
Mega-Krisen alleine auf die Marktmechanismen zu verlassen, uns nicht weit führen
wird. Am Ende stellt sich heraus, dass der
Markt sehr wenig bis gar nichts regelt.
Auf der anderen Seite haben wir ein Europa, das aufgrund seiner Werte eine notwendige Provokation oder ein Affront für die
Autoritären ist, egal ob sie am Bosporus sitzen, in Peking, in Moskau oder innerhalb
der Europäischen Union (EU) in Budapest
oder in Warschau. Die EU ist ein Versprechen für Wohlstand, Frieden, Demokratie
und Gerechtigkeit.
Dieses Versprechen umzusetzen ist eine
riesige Herausforderung, wenn man an Digitalisierung, Klimakrise, Fake-News, Asyl,
Migration, Steuerflucht und alle diese Fragen denkt. Das alles ist dann nicht leicht
umzusetzen. In den letzten Jahren ist aber
auch viel Gutes gelungen, nicht nur in der
GR-Sitzung 23.03.2023
Krisenbewältigung, sondern auch in der normalen europäischen Politik. Politik ist das
Bohren von dicken Brettern, sehr oft aber
auch das Drehen von kleinen Schrauben,
was man beharrlich machen muss.
Wenn der französische Präsident Macron
und der deutsche Bundeskanzler Scholz
ihre großen Auftritte in Brüssel haben und
sich alle Kameras auf sie richten, geht es oft
um jahrelange Feinarbeit, politische Entscheidungen nicht nur vorzubereiten, sondern auch der versammelten Interessensmacht, die es oft von Großkonzernen gibt,
mit einer Richtlinie z. B. für mehr Steuertransparenz endlich mit einer Mehrheit entgegenzutreten.
Das geschieht z. B. durch die Zivilisierung
der digitalen Megakonzerne mit dem DigitalService-Act und dem Digital-Market-Act, der
dann am Schluss heißt: Was im echten Leben verboten ist, muss online letztlich auch
strafbar sein. Verletzungen von Menschenrechten und strafbare Handlungen müssen
auch in der Sphäre des Internets strafbare
Handlungen sein.
Das Drehen an kleinen Schrauben ist die
Politik der kleinen Schritte. Dazu muss man
sagen, dass der allergrößte Teil des EUBudgets zwar in Brüssel festgelegt wird,
aber entschieden, was damit passiert, wie,
wie gut und effektiv es umgesetzt wird, passiert vor Ort unter Maßgabe der Nationalstaaten. Vor allem aber auch durch die Gestaltung vor Ort durch die Regionen und
Kommunen in Europa, die diese Geldmittel
kombiniert mit eigenen Geldmitteln für das
einsetzen, was sie für wichtig erachten.
Das kann ländliche, urbane und landwirtschaftliche Entwicklung sein, die den größten Budgetbrocken ausmacht. Aber auch
z. B. wie wir die nachthaltige Energiewende
sozial gerecht bewältigen können.
Ich habe von den Erfolgen der letzten Jahre
gesprochen. Lassen Sie mich noch ein paar
erwähnen: Das Gesetz über digitale Waren
und Dienstleistungen, ein sogenanntes digitales Grundgesetz für ein regelbasiertes Internet, welches das erste solche auf der
ganzen Welt ist. In unserer verrückten Abkürzungssprache heißt es dann Digital-Service-Act und Digital-Market-Act. Verrückte
Sprache deshalb, weil es sehr lange dauert,
den BürgerInnen auf der Straße im Detail zu
erklären, was genau dahintersteckt.