Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2023
/ Ausgabe: 2023-03-23-GR-Protokoll.pdf
- S.31
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Wird dieses Problem aus europäischer Perspektive gesehen? Wenn ja, welche
Ansätze könnte es geben, um diesem
Problem entgegenzutreten?
MEP Mag. Schieder: Wohnen an sich ist
kein europäisches Thema, viele Details des
Wohnens aber schon. Es wurde gerade ein
Paket über die Energieeffizienz von Gebäuden verabschiedet. Da kann man sehr viel
tun. Das von Dir, GR Mag. Plach, Angesprochene, verknüpft zwei Probleme: Die
explodierenden Wohnpreise und die Bankenkrise, die wir letzte Woche rund um die
UBS und die Credit Suisse erlebt haben. Finanzinstitutionen, Banken und Versicherungen kaufen Wohnungen, um sie nicht zu
vermieten. Sie zweckentfremden sie, um sie
in ihre Bilanz zu legen, damit sie dort eine
Eigenkapitalquote nachweisen können.
Es wird nicht einmal zu SpekulantInnenpreisen, also teuer, vermietet, sondern gar
nicht, weil das für die Bilanz gut ist. Das zerstört den Wohnungsmarkt und am Ende
zahlen die Personen drauf, die wenig Geld
in der Tasche haben. Die Antwort darauf ist,
dass wir bei den Bilanzierungsregeln noch
stärker vorgehen müssen und auch raumordnungsmäßig. Wenn InvestorInnen zwei
oder drei Türme irgendwo hinstellen wollen,
muss man überlegen, wem diese letztlich
zugutekommen.
Ebenso muss der geförderte Wohnbau, also
der kommunale Wohnbau, vor Privatisierung und Liberalisierung geschützt werden.
Das halte ich für sehr wichtig. Als ich Finanzstaatssekretär war, war ich beim Finanzamt Kitzbühel zu Besuch. Das Hauptproblem der FinanzbeamtInnen war, dass
sie sich das Leben in ihrer eigenen Stadt, in
der sie auch arbeiten, nicht mehr leisten
können. Dortige FinanzbeamtInnen wissen,
dass ihre Töchter oder Söhne nicht mehr in
Kitzbühel leben können, denn dort kann
man nur leben, wenn man reiche/r Russin/e
oder KristallerbIn ist.
Diesen Zustand muss man durchbrechen,
was sehr schwierig ist, wenn das einmal so
passiert ist.
GR Mag. Falch: Mich würde interessieren,
wie die EU bzw. die Europäische Zentralbank (EZB) auf die Pleite und die Übernahme durch die UBS reagiert. Wie schätzen Sie das als ehemaliger Staatssekretär
für Finanzen ein?
GR-Sitzung 23.03.2023
MEP Mag. Schieder: Es ist keine Angelegenheit der EZB, da es den Schweizer Bankensektor betrifft. Die europäische Aufsicht
hat hier keine volle Zuständigkeit. Ein Teil
der Regeln gilt, einen Teil von anderen Regeln gibt es nur in Europa. Wenn die europäischen Regeln auch in der Schweiz vollkommen gegolten hätten, hätte man sich einen Teil erspart, sagen manche.
Das glaube ich nicht, denn das Grundproblem der Credit Suisse war, dass es in ihrer
Struktur, also Kredit- und Finanzstruktur, ein
paar Dinge gegeben hat, die nicht optimal
gelaufen sind. Z. B. haben sie sich auch im
Investmentgeschäft getäuscht und konnten
das lange nicht verdauen.
Ich habe große Sorge, dass die fusionierte
neue UBS noch einmal ein bisschen "too
big to fail" ist. Sie macht ein Vielfaches des
Schweizer Nationalproduktes aus. Die
Frage ist, wie das in Zukunft zu sehen ist.
Meiner Meinung nach zeigt es, dass wir
nach der Finanzkrise 2008 sehr viele Regeln nachgeschärft haben, aber dann wieder eine Phase eingetreten ist, in der bei
den nachgeschärften Regeln etwas lockergelassen wurde. Das rächt sich jetzt.
Ich bin der Meinung, dass man in Folge der
damaligen Finanzkrise noch etwas mehr
schärfen hätte müssen. Wir werden sehen,
wie die Sache ausgeht. Jedenfalls hat sich
gezeigt, dass es gelungen ist, dass diese
Krise nicht gleich zu einem Flächenbrand
geworden ist wie seinerzeit, als Lehman
Brothers pleitegegangen sind und ein europäischer Flächenbrand entstanden ist.
So gesehen haben die Aufsichtsbehörden,
die Europäische Bankenaufsicht, die EZB
und die nationalen Notenbanken in der EU
in Summe so reagiert, dass ein größerer
volkswirtschaftlicher Schaden von uns abgewendet werden konnte.
GR Mayer: Das mit der Leistbarkeit in Kitzbühel spiegelt sich in der Stadt Innsbruck
mittlerweile genauso. Ich möchte noch einmal zur Energiewende zurückkommen.
StRin Mag.a Schwarzl hat gesagt, dass es
schlimm ist, wenn man gegen das Aus für
Verbrenner ist. Ist sich die EU oder auch
Österreich bewusst, dass es viel mehr
braucht als nur Förderungen für Photovoltaik und E-Mobilität, um die Marktsättigung
zu gewährleisten? Es gibt nämlich schon