Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2015
/ Ausgabe: 03-Protokoll_19.03.2015_gsw.pdf
- S.41
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dann zu ihm zurückgekehrt. Meinen Sohn
hatte ich mit dabei. Ich habe den Mann gefragt, was er denn mit dem Euro machen
würde. "Nur einen Kaffee trinken gehen",
war die Antwort. Ich habe ihm das Geld gegeben. Daraufhin hat er mir von seinem Leben erzählt - eine traurige Geschichte. Er ist
gerade aus der Psychiatrie entlassen worden. Früher hätte man ihn als "Sandler" betitelt. Ich habe noch ein bisschen mehr Geld
draufgelegt und der Mann ist zum Supermarkt "M-Preis" gegangen. Herausgekommen ist er nicht mit einem Kaffee, sondern
mit Bier. Er hat seine Ankündigung einfach
gleich vergessen gehabt. Das ist in so einem Fall normal.
Ich habe auch einen "20er"-Verkäufer meines Vertrauens. Mit diesem spreche ich jede Woche sehr intensiv. Er erzählt mir immer von seinen Problemen mit den "BettlerInnen". Wenn er seine Zeitungen verkauft,
kann er immer mittags beobachten, dass
ein "Bettler" kommt, der sich auf den Gehsteig setzt und die Hand aufhält. Der Verkäufer ist mit ihm ins Gespräch gekommen
und hat ihn gefragt, was er denn den restlichen Tag mache. So hat er erfahren, dass
der "Bettler" vormittags immer in einem
Restaurant arbeitet.
Wenn wir also vom Betteln sprechen, dann
müssen wir schon klarstellen, wovon genau
wir reden! Meinen wir damit die Menschen
aus Österreich, die arm sind? Oder doch die
Leute aus Rumänien, wo die Armut ganz
gravierend ist - schon allein deswegen, weil
es dort die größte Diskriminierungsquote
Europas gibt?
Wenn man sich den Sozialkompass ansieht,
dann merkt man, dass die EU und Rumänien selbst sehr wohl gewillt sind, sozial auf
die Schwerstbehinderten und auf die Alten
einzugehen. Ich darf kurz zitieren:
"Sonstige Leistungen für Behinderte:
-
Vorrecht auf staatliche Mietwohnungen
in den untersten Stockwerken und Befreiung von Mietzahlungen;
-
Keine Mindestversicherungszeiten;
Besondere Regelungen für Schwerbehinderte:
-
Kostenlose Tickets für Kultur- und
Sportveranstaltungen für Kinder mit
Behinderungen und Erwachsene;
GR-Sitzung 19.03.2015
-
Bestimmte Anzahl pro Jahr an kostenlosen Tickets für Fernreisen via Bahn,
Schiff und Bus für Menschen mit
schwerer und ausgeprägter Behinderung;"
Es gibt noch mehr von solchen Angeboten.
Da muss ich dann fragen, ob Ihr allen Ernstes glaubt, dass die Frauen und Männer, die
schwerstbehindert sind und bei uns sitzen,
nicht lieber daheim wären? Wenn sie dort
doch Begünstigungen bekommen würden?
Glaubt Ihr wirklich, dass sie ihr Einkommen
erbetteln? Nein - sie sind Teil eines Erwerbssystems! Das geht daraus ganz klar
hervor! Sie sind doch nicht freiwillig da! Ich
habe einer dieser Frauen einen Klappsessel
angeboten. Sie hat ihn nicht genommen.
Warum?
Ich will nur sagen, dass sehr wohl auf nationaler Ebene in Rumänien und auch auf EUEbene etwas getan wird, um diesen Menschen zu helfen. Die, die bei uns sind, sind
sozial benachteiligt. Wenn man mit den
Personen redet (was ich tue), dann kommt
man auf einiges drauf. Es gibt z. B. einen
jungen Menschen, dem man anmerkt, dass
er geistig benachteiligt ist. Er wird ausgenutzt! Zudem gibt es unter den "BettlerInnen" AnalphabetInnen. Sie kommen doch
nicht zu uns, um ihren Lebenserwerb zu erbetteln! Nein, sie werden ausgenützt, das
kann man ganz klar festhalten. Wenn man
das, was die Polizei und die Mobile Überwachungsgruppe (MÜG) ermittelt haben,
schon nicht akzeptieren will, dann sollte
man sich doch wenigstens die Möglichkeit
offen lassen, dass es so sein könnte.
Im Hinblick auf eine eventuelle Kontingentierung von BettlerInnen sollte man auch
nicht grundsätzlich sagen, dass man dazu
nicht bereit ist. Ich unterstütze die Rumänienhilfe und die "Ärzte ohne Grenzen". Das
traue ich mich hier offen zu sagen. Von mir
aus kann das auch in der Presse zitiert
werden. Was ich aber nicht unterstützen
will, ist eine importierte Armut. Diese Form
haben wir hier nicht, weil der Staat Österreich, das Land Tirol und auch die Stadt Innsbruck alles tun, um Armut möglichst zu
unterbinden und den armutsgefährdeten
Personen ein halbwegs normales Leben zu
ermöglichen. BettlerInnen in dieser Form,
wie wir sie jetzt auf der Straße vorfinden,
gibt es bei uns eigentlich nicht. Ob sie nun