Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2017
/ Ausgabe: 06-Protokoll_24.05.2017.pdf
- S.9
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Mir geht es heute insbesondere darum, ein
wenig zu berichten, was bei den TiSAVerhandlungen läuft. Trade in Services Agreement (TiSA) ist ein Abkommen, das
weitaus weniger in der Öffentlichkeit steht
und weniger diskutiert wird als Transatlantic
Trade and Investment Partnership (TTIP)
und Comprehensive Economic and Trade
Agreement (CETA). Es ist meiner Meinung
nach jedoch wesentlich nachhaltiger, sowohl von der Reichweite als auch vom Inhalt. Sie wissen sicher, dass Trade in Services Agreement (TiSA) das Abkommen zur
Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen ist. Insbesondere sind hier auch die
öffentlichen Dienstleistungen betroffen. Ich
denke, dass das Städte wie Innsbruck und
alle Ebenen betrifft, die eine öffentliche Auftragsvergabe haben und mit der Daseinsvorsorge betroffen sind. Diese Handelsabkommen bringen eine massive Gefahr mit
sich. Trade in Services Agreement (TiSA)
auch deshalb, weil es kein bilaterales, sondern ein plurilaterales Abkommen ist, wie
Sie sicher alle wissen.
23 Länder der Welt verhandeln und es geht
um 70 % des globalen Dienstleistungsmarktes. Der Dienstleistungssektor ist groß. Sie
wissen, 70 % des Bruttoinlandsproduktes
(BIP) im Schnitt und 68 % der Bevölkerung
arbeiten im Dienstleistungssektor - insbesondere Frauen. Ein Liberalisierungs- und
Deregulierungsprozess hätte massive Auswirkungen.
Ich weiß, dass Sie bereits sehr viel im
Rahmen von Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) und Comprehensive Economic and Trade Agreement
(CETA) über die Gefahren dieser Abkommen, betreffend Druck auf die Qualitätsstandards für die Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Konsumentinnen und Konsumenten, diskutiert haben. Mir geht es heute
darum, noch einmal zu veranschaulichen,
welche massiven Auswirkungen auf die
Rechte und Handlungsspielräume von Städten, Gemeinden und Ländern dieses TiSAAbkommen hätte. Ich denke, dass es wirklich eine massive Einschränkung des so
genannten Rechts auf Regulierung (right to
regulate) wäre. Alle Maßnahmen, die künftig
getroffen werden (Ladenöffnungszeiten,
Umweltprüfungsverfahren), müssten so genannten Notwendigkeitstests unterzogen
GR-Sitzung 24.05.2017
werden, ob sie überhaupt notwendig sind
und dem freien Handel nicht widersprächen.
Ich habe damals selbst in Wien die Koppelung der öffentlichen Auftragsvergabe an
Frauenförderungsunternehmen sowie Lehrlingsförderungsunternehmen und als parteiübergreifendes Projekt mitverhandelt. Sie
kennen sicher die Koppelung Auftragsvergabe an ökologische und andere Kriterien,
die wir uns jetzt schon im Europarecht hart
erkämpft haben.
Ich weiß, dass StR Mag. Fritz darin Experte
ist. Das Wettbewerbsrecht ist jetzt schon
sehr hart, wobei Österreich in seinem österreichischen Auftragsvergaberecht weit darüber hinausgeht, was Brüssel eigentlich
vorschreiben würde. Das ist aber eine andere Debatte. Die österreichischen Politikerinnen und Politiker reden sich dann immer
gerne auf Brüssel aus und sagen, dass es
dort entschieden wurde. Mitnichten ist das
aber oft der Fall. Hier müssen wir schon unsere eigenen österreichischen Politikerinnen
und Politiker verantwortlich machen.
Meiner Ansicht nach wäre die Koppelung
der Auftragsvergabe an qualitative Kriterien
massiv in Gefahr, aber auch das Verbot von
Rekommunalisierungen. Das haben Sie sicher schon gehört. Ich denke, dass das
wirklich etwas ist, das wir verhindern müssen. Sie wissen, dass Rekommunalisierungen eigentlich im europaweiten Trend liegen, weil Privatisierungen vor allem öffentlicher Dienstleistungen von Wasser, von öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖV) usw. gescheitert sind und deshalb viele, auch konservativ regierte Städte, dazu übergehen,
zu rekommunalisieren und zumindest Teilbereiche wieder in die öffentliche Hand
überzuführen.
Beim TiSA-Abkommen gäbe es zwei spezielle Klauseln, die wir Stillhalteklausel und
Sperrklinkenklausel nennen. Das bedeutet,
was einmal liberalisiert ist, darf nie wieder
rekommunalisiert werden und auch Bereiche, die erst in Zukunft entstehen, wären
automatisch liberalisiert. Ich denke, dass
das wirklich eine der größten Gefahren für
die öffentliche Auftragsvergabe und die öffentliche Hand wären, öffentliche Dienstleistungen nicht mehr in diesem Sinne eigenverantwortlich zur Verfügung stellen zu
können.