Gemeinderatsprotokolle seit 2002

Jahr: 2018

/ Ausgabe: 02-Protokoll-22.02.2018.pdf

- S.20

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- 58 -

Verwaltung, die der Bevölkerung oftmals als
willkürlich erscheint, ist mit übergeordneten
Instanzen wie Land oder Bund in ein Netz
von gegenseitigen Abhängigkeiten eingebunden. Und Verwaltung ist nicht so stabil,
wie sie in der Wahrnehmung scheint, sondern dauernden Veränderungen ausgesetzt.
1. Monarchie:
In die Kompetenz der öffentlichen Verwaltung fielen nach dem Innsbrucker Stadtrecht
von 1874, das bis 1921 galt, im Prinzip alle
Agenden, die in irgendeiner Weise mit Sicherheit zu tun hatten, wie Straßenerhaltung oder lebensmittelpolizeiliche Aufgaben.
Nur sehr eingeschränkt als öffentliche Aufgabe galten kulturelle und soziale Angelegenheiten. Kulturpolitik beschränkte sich auf
die Vergabe von Subventionen. Die Verwaltung der Kultur - und damit das Risiko blieb bei den einzelnen Vereinen. Als Beispiel sei hier das heutige Tiroler Landestheater Innsbruck, damals Stadttheater, genannt. Die Stadt betrieb es nicht selbst, sondern verpachtete Spielzeiten an Theaterdirektoren.
Der Bereich Soziales war nur sehr rudimentär in der öffentlichen Verwaltung abgebildet
und in einem Mischsystem von privat/öffentlich organisiert. Die städtische Verwaltung
war nur für die absolut notwendige Grundversorgung der eigenen Bevölkerung zuständig. Es gab diverse Versorgungseinrichtungen, wie das Armenhaus oder das Greisenasyl, die jene auffingen, die überhaupt
nichts mehr hatten außer dem Recht, dass
sich Innsbruck als ihre Heimatgemeinde um
sie kümmern musste. Ehrenamtliche, zumeist höhere Beamte in Pension, waren zu
Armenpflegern berufen und arbeiteten dem
städtischen Armenamt zu. Sie waren in ihrem jeweiligen Armenbezirk Anlaufstelle für
Hilfsbedürftige. Daneben bearbeiteten zahlreiche Vereine einzelne Aspekte von Armut.
Als Mittel zur Selbsthilfe betrieb die Stadt Innsbruck die Pfandleihanstalt, um finanzielle
Engpässe zu überbrücken, oder die Sparkasse, die Ärmeren beim Aufbau von Rücklagen half. Ebenfalls als Wohltätigkeitseinrichtung unterhielt die Stadt ein Arbeitsvermittlungsamt und eine Volksküche, die billige Mahlzeiten verkaufte. Es galt das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe und Hilfe nur für
jene, die nicht mehr arbeitsfähig waren.
GR-Sitzung 22.02.2018

In der Gemeindepolitik saßen einflussreiche
Innsbrucker Bürger, vor allem Kaufleute und
höhere Beamte. Nach dem Stadtrecht wahlberechtigt waren nur etwa zehn Prozent der
Bevölkerung, und zwar männliche Bürger,
die eine bestimmte Summe an Einkommenssteuer bezahlten. In der Gemeindestube herrschte damit unumschränkt die liberale deutschfreiheitliche Partei, die nach
dem Motto "weniger Staat - mehr privat"
möglichst wenige Aufgaben übernehmen
wollte.
Die meisten heute selbstverständlich von
der Stadt verwalteten Aufgaben lagen in privater Hand, wie die Stromversorgung
oder der Personennahverkehr. Neue Aufgaben übernahm die Stadt nur, wenn Reichsgesetze dies verlangten, wie beispielsweise
die lebensmittelpolizeiliche Überwachung
der Märkte.
Die sozialen und wirtschaftlichen Verheerungen des Ersten Weltkrieges erzwangen
die vorübergehende Einrichtung von Lebensmittelkarten-Ausgabestellen und die
Überwachung der Lebensmittelverteilung.
Sie führten zur Einrichtung städtischer Ämter, die den Krieg überdauerten. Im
Jahr 1917 beschloss der Gemeinderat die
Einrichtung eines Jugendamtes, gedacht als
Jugendpolizei, die das Verhalten Jugendlicher, etwa im Hinblick auf einen regelmäßiger Schulbesuch oder Alkoholkonsum,
überwachte.
Grundsätzlich gilt aber für die Jahre der Monarchie: Schlanker Staat und schlanke Verwaltung. Eine schlanke Verwaltung kann
nur schlanken Service bieten. Die Stadt
setzte auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung und leistete nur das gesetzlich
Vorgeschriebene.
2. Erste Republik:
Das Ende der Monarchie und die Erste Republik demokratisierten die Politik und beendeten die Herrschaft der Liberalen im Gemeinderat. Mit dem allgemeinen Wahlrecht
zogen die Sozialdemokratische Arbeiterpartei und die Tiroler Volkspartei ein, erstmals
auch Frauen. Ab 1923 findet sich auch die
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) im Gemeinderat.
Die Jahre bis zur Weltwirtschaftskrise waren
Jahre des Übergangs. Es waren die sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen des