Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2015
/ Ausgabe: 03-Protokoll_19.03.2015_gsw.pdf
- S.51
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Bgm.-Stellv. Kaufmann: Ich möchte mich
kurz zu Wort melden. Gemäß § 39 Geschäftsordnung des Gemeinderates
(GOGR) muss über einen Antrag auf eine
geheime Abstimmung sofort ohne Debatte
entschieden werden.
Mehrheitsbeschluss (gegen GRÜNE,
8 Stimmen):
Der Antrag von GRin Mag.a Schwarzl auf eine geheime Abstimmung wird abgelehnt.
GR Mag. Kogler: Natürlich ist diese Verordnung ein Signal - nach innen und noch
viel wichtiger nach außen. Wir müssen zeigen, dass die Stadt Innsbruck für das Betteln unattraktiv ist. Diese Menschen sind
arm, aber nicht, weil sie betteln müssen,
sondern weil sie den ganzen Tag am Boden
in der Kälte sitzen und von Strukturen geprägt sind. Da verschließt Ihr Euch wirklich!
Wenn es um die Prostitution geht, um die
Rumäninnen und Bulgarinnen, da ist für
Euch auch klar, dass dahinter eine Struktur
steht. Auch die BettlerInnen werden nicht
einfach selbst zu uns herfahren und sich frei
entscheiden, sich bei uns hinsetzen zu wollen. Nein, absolut nicht! Daher ist es wichtig,
diese Organisation zu zerschlagen und ein
erstes Zeichen zu setzen, dass man dagegen ankämpft.
Bitte werfen wir die Menschen aus SüdostEuropa nicht alle in einen Topf! Sie sind
auch stolze Menschen und viele von ihnen
kämpfen ums Überleben, vermeiden aber
das Betteln. Ich habe das zumindest in der
Ukraine so kennengelernt. Ich war seit der
Invasion von Russland nicht mehr dort, aber
mir ist bei früheren Besuchen aufgefallen,
dass es kaum BettlerInnen gibt. Die Menschen versuchen, mit Hilfe von kleinsten
Kleinigkeiten etwas zu verdienen. Sie verkaufen z. B. Schneeglöckchen. Dadurch,
dass sie ihren Stolz haben, versuchen sie
wirklich alles. Sie gehen nicht einfach auf
die Straße und betteln. Daher ist es für mich
klar, dass die Leute, die zu uns kommen,
einfach ausgenützt werden - genau so wie
die Prostituierten. Wir müssen dagegen arbeiten. Daher braucht es diese Verordnung,
die ein Zeichen ist, dass den dahinterstehenden Strukturen der finanzielle Nährboden entzogen wird.
GR Buchacher: Ich finde, die bisherige Debatte war sehr interessant. Als Ältester von
GR-Sitzung 19.03.2015
neun Kindern weiß ich, was Armut ist. Ich
habe in meiner Kindheit Dinge erlebt, die ich
niemandem zumuten möchte. Ich war selbst
zweimal mit Hilfstransporten in Rumänien in Klausenburg. Der ehemalige Leiter der
Bundesgärten in Innsbruck, Dir. Urban, hat
mich damals gebeten, hinüberzufahren. Ich
habe das aufgrund meiner eigenen Erlebnisse sehr gerne gemacht. Ich bin einiges
gewöhnt und kann damit umgehen, dass
Menschen arm sind. Was ich aber da drüben gesehen habe, das ist einfach unvorstellbar. Ich war in der Ostslowakei, in Ungarn und Bulgarien. Aber die Zustände dort
in Rumänien, die waren am ärgsten.
Ich war in Kinderspitälern. Kein Mensch
würde das glauben, wie es da zugeht. So
etwas sieht man sonst nur in Horrorfilmen.
Die Kinderheime kann man eigentlich nicht
so nennen, ich will sie aber auch nicht als
Kinder-Konzentrationslager (KZ) bezeichnen, weil fürs Sterben doch noch zu viel da
war. Allerdings waren die Kinder abgemagert und verletzt. Die dort beschäftigten
Frauen, wohlernährt, waren nicht imstande,
die Kinder ins Freie zu bringen, um ihnen
frische Luft zukommen zu lassen. Für das
ganze Spital war eine einzige Spritze vorhanden. Da darf man sich dann nicht wundern, wenn die Kleinen alle möglichen
Krankheiten haben. Mir ist aufgefallen, dass
die Kinder hauptsächlich Angehörige der
Volksgruppe von Sinti und Roma waren.
Entweder wurden sie ausgestoßen oder die
Eltern haben einfach nicht gewusst, was sie
mit ihnen anfangen sollen.
Zudem habe ich damals eine unfassbare
Korruptionskultur wahrgenommen. Ich weiß,
dass das in der Zwischenzeit nicht viel besser geworden ist. StR Pechlaner hat es heute schon erwähnt: Damals sind Staaten in
die Europäische Union (EU) aufgenommen
worden, die völlig unvorbereitet waren. Als
Konsequenz hat man sich der Menschen,
die nicht ins Bild passen, entledigt. Ich
möchte nochmals wiederholen, dass man
dort teilweise froh ist, wenn diese Leute
nicht im Land bleiben. Dann fallen sie dem
Sozialstaat, so vorhanden, nicht zur Last.
Daher sieht man es eigentlich gern, wenn
sie nach ganz Europa ausschwärmen und
mit ihren Probleme alleine zurechtkommen
müssen. Für die betroffenen Menschen ist
das aber nicht lustig.