Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2014
/ Ausgabe: 07-Protokoll_12_06_2014.pdf
- S.31
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nehmen und in aller Ruhe sein Bierchen
oder ein Gläschen Wein zu trinken) - das ist
überschießend!
Meiner Meinung nach ist das nicht mehr in
dem Rahmen, nach dem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu Artikel 118 Absatz 6
geurteilt hat. So eine Ortspolizeiliche Verordnung hat zwei Voraussetzungen: Sie
muss effektiv und adäquat sein. Das heißt,
sie muss geeignet sein, einen tatsächlichen
Missstand zu verhindern, und sie muss verhältnismäßig sein, also nicht mehr in die
Menschenrechte eingreifen, als unbedingt
notwendig ist, um das Ziel zu erreichen.
Jetzt jeder bzw. jedem zu untersagen, irgendwo gekauften Alkohol in aller Ruhe und
in Frieden zu trinken - unabhängig davon,
ob sie bzw. er ein Verhalten setzt, das in
irgendeiner Weise das öffentliche Gemeinschaftsleben stört -, das ist nicht mehr adäquat im Sinne des Verfassungsgerichtshofs.
Das ist überschießend und an der Grenze
dessen, was die Verfassung noch erlaubt.
Vergessen wir nicht, der Artikel 118 Absatz 6 ist ein Ausnahmetatbestand, der sich
in quasi gesetzesfreiem Raum bewegt. Er
enthält die einzige Verordnung, die ein Gemeinderat erlassen kann, die keine gesetzliche Grundlage hat. Es handelt sich dabei
sozusagen um ein Notwehrrecht für GemeinderätInnen, mit dem sie Verbote erlassen können zur Verhinderung von gesellschaftlichen Missständen, die das örtliche
Gemeinschaftsleben stören oder zu stören
drohen.
Effektiv vielleicht, darüber kann man streiten, aber rechtsstaatlich ist das nicht mehr.
Mir ist es lieber, ich werde von einer/m Betrunkenen angerempelt, als dass ich die
Verfassung mit Füßen trete!
StR Pechlaner: Für mich steht diese Sitzung des Gemeinderates unter dem Motto
"Zuckerbrot und Peitsche". Nicht nur wegen
des bisherigen Verlaufs dieser Debatte und
derjenigen zur Aktuellen Stunde, sondern
weil aus einem guten und wichtigen Beschluss nun ein falscher und schlechter
erfolgt. Man kann dieses Verbot nicht
schönreden. Ich sage das deshalb, weil
genau das im Vorfeld zur heutigen Sitzung
immer wieder versucht wurde. Es kann vor
allem nicht von jenen schöngeredet werden,
die gleichzeitig immer die christliche Soziallehre beschwören und bemühen!
Unser Klubobmann, GR Grünbacher, hat
darauf hingewiesen: Wir erkennen das
Problem. Wir wollen es nicht leugnen und
auch nicht kleinreden. Es ist unbestritten,
dass es viele Menschen gibt, die sich gestört und belästigt fühlen bzw. auch belästigt wurden. Dagegen ist vorzugehen. Wie
StR Mag. Fritz hingewiesen hat, gibt es dafür schon die gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Punktuelle Verbote lösen die Probleme
nicht, sie verlagern sie nur! Es ist ein Unterschied, ob wir über ein Alkoholverbot auf
Spielplätzen sprechen oder über eines in
Geschäftsstraßen, in denen es Dutzende
Gastgärten gibt, die für Alkoholika werben.
Weil es so eine Ausnahmebestimmung gegen RechtsbrecherInnen ist, denen man
sonst nicht beikommen kann, hat das der
VfGH immer sehr restriktiv gesehen und
einige dieser Ortspolizeilichen Verbote wieder gekippt.
Es wird immer wieder die Frage nach den
Lösungen gestellt. In diesem Zusammenhang muss man zitieren: "Die Wahrheit ist
dem Menschen zumutbar." Die Wahrheit ist:
Es gibt keine suchtfreie Gesellschaft. Nicht
heute, nicht gestern und auch nicht morgen.
Ich richte meine Bitte an das Plenum des
Gemeinderates, sich noch einmal zu überlegen, ob ein solches Verbot wirklich dafür
geeignet ist, Missstände (die echte Missstände sind!) aus der Welt zu schaffen und
zu verhindern. Und ob es angemessen und
verhältnismäßig ist in Bezug darauf, wie
man in die Rechte von BürgerInnen eingreift. Ich bitte Euch, das nochmals zu
überdenken. Für mich habe ich die Entscheidung schon getroffen - ich bin der
Meinung, dass das nicht mehr adäquat ist.
Das, was wir sehen, ist das Spiegelbild eines Teils unserer Gesellschaft. Das ist nicht
schön und daher stört es uns. In Wirklichkeit, darauf ist heute schon hingewiesen
worden, geht es ja nicht um den Alkoholkonsum an sich. Das ist ja nicht das Problem. Vielmehr geht es um die Auswirkungen
und die Handlungen nach übermäßigem
Alkoholkonsum, die viele Menschen verletzen und unter denen sie leiden müssen.
GR-Sitzung 12.06.2014
Ich darf Euch sagen, liebe KollegInnen, diese Leiden finden nicht im öffentlichen Raum