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Jahr: 2006

/ Ausgabe: 2006_03-Maerz.pdf

- S.58

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der Maria-Theresien-Straße gleich, geht
aber nicht, wenn ein altes Haus mit einer
entsprechenden Fassade gegenübersteht.
Außerdem halte ich Glasfassaden - Sie
verzeihen mir - bereits als altmodisches
Mittel der architektonischen Gestaltung, da
man praktisch überall nur Glasfassaden
sieht. Man könnte sich vielleicht am
Beispiel Kaufhaus Tyrol eine neue
gestalterische Möglichkeit überlegen. Das
wäre ein Wunsch, den ich im Gemeinderat
anmerken möchte.
Noch zur ewigen Diskussion über "neue
Architektur gegen alte Architektur". Das
wird immer gegeneinander ausgespielt,
als ob die neue moderne Architektur eine
Unterstützung von allen Seiten brauchen
würde. In diesem Zusammenhang darf ich
einige Zahlen vortragen:
Im Land Tirol stehen 2,7 % des Baubestandes unter Denkmalschutz. Das ist
inklusive der Sakralbauten und ist eine
beachtlich geringe Zahl. 80 % aller
Gebäude im Land Tirol sind nach dem
Jahr 1950 errichtet worden. Ein sehr
ähnliches Bild bietet sich auch in der Stadt
Innsbruck. Nur 1,5 % der gesamten
Stadtfläche - auf die Siedlungsfläche
umgelegt sind es 6 % -, sind im Sinne des
Stadtkern- und Ortsbildschutzgesetzes
(SOG) als Schutzzone ausgewiesen. Also
vor dem Hintergrund dieser Zahl, kann
man wirklich nicht von einer Musealisierung sprechen. Auch die Gefahr der
Musealisierung ist in Anbetracht dieser
Zahl wohl eher als gering einzuschätzen.
Ich möchte jetzt einige grundsätzliche
Bemerkungen machen: Eine Musealisierung ist in der Stadt Innsbruck nicht
vorhanden. Man muss blind sein, wenn
man durch diese Stadt geht und glaubt,
sie lebt noch im 19. oder gar im 18.
Jahrhundert. Es sind überall neue Bauten
entstanden und es wurde überall zeitgemäß saniert. Innsbruck ist eine moderne
pulsierende Stadt. Von Glasstürzen und
Museumsatmosphäre ist bei Gott nicht die
Rede.
Ich verstehe aber, dass sich Architekten
und Bauherren für die 6 % der Schutzzone
wesentlich mehr interessieren als für die
94 % des übrigen potenziellen städtischen
Baugebietes. Das ist ein sehr kleiner, aber
sehr attraktiver Bereich. Es ist einfach
GR-Sitzung 30.3.2006

prestige- und auch kommerzträchtiger, in
der Maria-Theresien-Straße zu bauen
oder, um ein Beispiel aus einer anderen
Stadt zu nennen, in der Nähe des
Stephansdomes. Das ist klar!
Vor allem von Seiten der Architekten wird
mit gutem Grund sehr massiv gegen die
Musealisierung angerannt, da diese in
Wirklichkeit nichts anderes als ein Stück
davon abhaben wollen. Dieser Anspruch
ist legitim. Der Ehrgeiz, einem arrivierten
alten Bauwerk etwas Neues gegenüberoder auch entgegenzusetzen, ist verständlich.
In meinen Augen ist es aber unverständlich, wenn dieser Ehrgeiz mit einem
Argument gegen eine Musealisierung des
Baubestandes einhergeht. Das hat man
anderenorts schon längst begriffen. Ich
darf nur das Beispiel Museumsquartier in
Wien nennen, wo es diesbezüglich eine
lange Diskussion gegeben hat. Das
Ergebnis ist solcher Art, dass weder der
alte noch der neue Bestand leidet,
sondern das Miteinander eine schöne
Symbiose ergibt.
Kulturkämpferische Attitüden "Alt" gegen
"Neu" sind anachronistisch in der heutigen
Zeit. Es ist nicht so, dass jede Unterschutzstellung eine Niederlage der
"Moderne" bedeutet. Das stimmt einfach
nicht! Es ist unmodern, den Kampf neue
gegen alte Argumente der 70er Jahre zu
führen. Das ist in anderen Orten schon
längst passiert. In Wien werden Diskussionen dieser Art nicht mehr geführt und in
Paris oder Rom werden Sie es auch nicht
erleben.
Ich stehe für das "Alte" ebenso wie für das
"Neue" ein, und das möchte ich ganz
dezidiert festhalten. Ich möchte auch die
Entfaltung von beidem geschützt wissen,
weil ich weiß, dass das "Neue" aus dem
"Alten" profitiert und selbstverständlich
auch umgekehrt. Aber, und das ist der
entscheidende Punkt: Aus meiner Sicht ist
es so, dass das "Alte" in der Stadt
Innsbruck eher eine Lobby braucht als das
"Neue".
Ich möchte auf den Wert von alter
Bausubstanz und auch von identitätsstiftenden Ensembles hinweisen. Nicht, weil
ich gegen neue Architektur bin, sondern
weil ich finde, dass die neue Architektur in