Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2020
/ Ausgabe: 2020-12-10-GR-Protokoll.pdf
- S.18
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zu Lasten der Menschlichkeit bedient. Diese
Vorgehensweise führte zu Leid.
Sie weinen und sie sterben. Ich möchte die
Worte von GR Schmidt ergänzen. Sie sterben alleine. Am 09.04.2020 verstarb meine
Großmutter in einem Wohnheim außerhalb
der Stadt Innsbruck. Sie wurde 100 Jahre
alt. Es war sehr traurig, aber aufgrund ihres
Alters nicht sehr überraschend. Tragisch
und schwer zu überwinden waren die Umstände ihres Todes!
Sie musste alleine sterben. Niemand durfte
sie besuchen. Es gab keine Möglichkeiten!
Die ganze Familie hat sich bemüht, eine
Form der Kommunikation zu finden. Meine
Großmutter hatte Demenz und war schwerhörig. Deshalb war es sehr schwer, mit ihr
zu telefonieren. Das Personal, so bemüht
es auch ist, ist überlastet und kann sich diesen Problemen nicht stellen. Die MitarbeiterInnen in den Heimen haben nicht einmal
genügend Zeit, um mit Familien in Austausch zu treten.
Diese allgemeine Überlastung hat uns die
Verletzlichkeit der Menschheit gezeigt. Wir
sind sozial verletzlich! Das hat uns die COVID-19-Pandemie vor Augen geführt. Das
Problem der Einsamkeit hat sich durch die
Krise verstärkt. Die Pandemie hat uns die
Probleme, die wir bereits alle kannten, noch
einmal vor Augen geführt.
Personalmangel in der Pflege, mobiles Personal zur Betreuung alter Menschen, die
Überlastung und überbordende Administration und Bürokratie, die das Personal davon
abhält, kreativ und menschlich zu arbeiten.
Diese Probleme waren uns bereits bekannt!
Jetzt haben wir erkannt, dass wir in einem
Bereich verletzlich sind, der uns eigentlich
unangenehm ist. Dort können wir aus
menschlicher Sicht keine gute Bilanz ziehen.
Die Frage ist, wie gehen wir damit um?
Wenn diese Pandemie vorüber ist, und wir
mit einem blauen Auge davonkommen,
müssen wir diese Themen aufgreifen, genau hinschauen und Lösungen finden, um
mehr Personal in der Pflege zu finden. Auch
wenn uns dieser Bereich Unbequemlichkeiten bereitet, müssen wir z. B. mobiles Pflegepersonal bereitstellen und neue Formen
der Kommunikation ermöglichen. Sollte uns
GR-Sitzung 10.12.2020
noch einmal eine solche Pandemie heimsuchen, wird uns unsere Verletzlichkeit einholen. (Beifall)
Bgm. Willi: Die gesetzliche Lage war stets
so, dass man sterbende Angehörige im Altenheim besuchen darf. Ich selbst habe das
beim Tod meiner Mutter erlebt. Sie verstarb
heuer im Frühjahr in einem Pflegeheim der
Innsbrucker Soziale Dienste GmbH (ISD).
Unserer Familie war es möglich, ihre letzten
drei Tage rund um die Uhr bei ihr zu sein.
Das ist gesetzlich gedeckt.
Ich weiß nicht, wo das Pflegeheim ist, in
dem Ihre Großmutter verstorben ist, aber
auch während des Lockdowns war es rechtlich geregelt, dass man sterbende Angehörige besuchen darf.
GR Buchacher: Ich bedanke mich bei den
VorrednerInnen für das Gesagte. Vor allem
freut es mich, dass dieses Thema gewählt
wurde. Einsamkeit im Alter muss auch hier
im Gemeinderat öffentlich erörtert werden.
Ich als Obmann des PensionistInnenverbandes erlebe tagtäglich die Einsamkeit der
älteren Generationen, denen unsere Aktivitäten fehlen.
Wir müssen Veranstaltungen absagen, Ausflüge werden gestrichen und es findet kein
gesellschaftliches Leben statt. Man kann
nur versuchen, tröstliche Worte zu finden
und empfindet eine gewisse Hilflosigkeit dabei.
Ich kann mich jenen Meinungen nicht völlig
anschließen, die Corona als Überbegriff für
Einsamkeit im Alter hernehmen. Die COVID-19-Pandmie hat zur Verschärfung der
Einsamkeit im Alter geführt. Die Vereinsamung im Alter ist jedoch ein Problem, dessen Ursprung nicht nur bei den PflegerInnen, sondern teilweise auch bei den Angehörigen zu finden ist. Das muss man hier
selbstkritisch und öffentlich ansprechen.
Manchmal entsinnen sich die Jüngeren
nicht mehr, dass genau jene alten Menschen für unseren Wohlstand verantwortlich
sind.
Ein weiteres Problem darf nicht unterschätzt
werden. GR Schmidt hat bereits darauf hingewiesen. Viele SeniorInnen haben Selbstmordgedanken und leiden an Depressionen. Ich möchte noch einmal betonen, dass
es diese Probleme bereits vor der COVID-