Gemeinderatsprotokolle seit 2002
Jahr: 2015
/ Ausgabe: 03-Protokoll_19.03.2015_gsw.pdf
- S.48
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Es wird in ewig langen Reden und einem
ermüdenden Paragraphenreitertum versucht, diese Maßnahme (oder das Gewissen) reinzuwaschen.
Das stille Betteln ist für viele Menschen, die
aus dem System herausgefallen sind, die
letzte Möglichkeit. Das wird jetzt verboten.
Ich bin zuversichtlich und hoffe, dass trotz
Klubzwangs sich manche MandatarInnen
ihre Verantwortung bewusst machen und
der gesellschaftlichen Verpflichtung nachkommen, indem sie dieser Beschlussvorlage nicht zustimmen.
GRin Duftner: Ich finde diese frommen
Wünsche von StR Mag. Fritz und von Dir,
GR Onay, an das Gewissen der MandatarInnen zu appellieren, sehr nett. Allerdings
bin ich skeptisch. Wir haben das Thema
schon sehr oft diskutiert und die Meinungen
sind inzwischen verfestigt. Mich hat ein wenig schockiert, welche Begründungen heute
abgegeben worden sind. Ich bin sehr besorgt. Wir alle wurden auf die österreichische Verfassung angelobt. Wir haben versichert, sie zu befolgen.
(GR Kunst: Aber nur im Hinblick auf die hiesige Bevölkerung, nicht auf die Fremden!)
(GR Onay: Genau das ist der Provinzialismus, den ich vorhin gemeint habe!)
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist ein Teil dieser Verfassung.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat entschieden, dass das Recht auf das Betteln
jedem Menschen zusteht. Das heißt, unabhängig von der ethischen Zugehörigkeit, der
Religion, Kleidung etc. hat jeder Mensch
das Recht, sich auf die Straße zu stellen
und zu betteln - auch, wenn er einen Pelzmantel, eine Diamantenkette und eine Rolex-Uhr trägt! Wie oft wurde heute schon die
Herkunft der BettlerInnen genannt und die
Marke der Autos, mit denen die Menschen
hierher kommen. Das entsetzt mich wirklich!
GR Wallasch, Du weißt, wir verstehen uns
normalerweise sehr gut. Heute war ich aber
wirklich schockiert! Du als Polizist äußerst
Unterstellungen - nämlich Dinge, die wirklich nicht bewiesen sind. Es wurde von Mafia und organisierter Kriminalität und Menschenhandel gesprochen. Dazu gibt es keine Beweise! Solange es die nicht gibt, kann
man das nicht als Argument für einen Be-
GR-Sitzung 19.03.2015
schluss heranziehen, so wie das heute geschehen soll.
(GR Mag. Abwerzger: Genau wegen dieser
Einstellung können MenschenhändlerInnen
unbehelligt agieren!)
Egal, ob es uns gefällt oder nicht - es ändert
nichts daran, dass diese Menschen das
Recht haben, auf der Straße zu betteln. Wir
als Gemeinderat können ihnen dieses
Recht nicht absprechen - außer es gibt so
viele BettlerInnen, dass man nicht mehr
durch die Straßen kommt. So ist die Rechtslage. Ich glaube daher nicht, dass dieser
Beschluss halten wird. Leider bin ich auch
sicher, dass die Mehrheit heute zustimmen
wird und daher die verfassungsrechtliche
Prüfung über die Verordnung stattfinden
wird. Ich wünsche mir sehr, dass das Ergebnis noch vor den nächsten Wahlen vorliegen wird. Dann können die InnsbruckerInnen selbst ihre Antwort darauf geben.
GRin Mag.a Schwarzl: Unsere Gründe, warum wir diese Verordnung ablehnen, haben
meine FraktionskollegInnen schon hinlänglich und nachvollziehbar - das habe ich an
den Gesichtern der gegenübersitzenden
MandatarInnen gesehen - dargelegt.
Ich möchte daher zunächst ein paar Repliken machen. Nachdem ich im Vorfeld darüber nachgedacht habe, warum manche
Fraktionen heute dieser Verordnung zustimmen werden, möchte ich auch noch auf
diese Überlegungen eingehen.
Wenn ich mir den Missstand, dass es nicht
mehr möglich ist, sich im öffentlichen Raum
zu bewegen, vor Augen führe, dann fällt mir
dazu eine Situation ein, die für mich viel
stärker nach Missstand aussieht als die
BettlerInnen: Die Zeit der Ladetätigkeit in
der Maria-Theresien-Straße wird inzwischen
zum Parken, Kaffeetrinken und Einkaufen
genützt, sodass man kaum mehr zu Fuß
durchkommt. Darüber haben wir neulich
auch im Ausschuss für Umwelt, Energie und
Mobilität diskutiert. Das ist ein Zustand, der
mir als Verkehrsbehinderung viel mehr auffällt, als dass ich das Gefühl hätte, nicht
zwischen BettlerInnen und GreenpeaceKeilerInnen hindurch zu kommen.
Wisst Ihr eigentlich, wer sich als Chef der
größten organisierten Bettelei in Tirol bezeichnet? Der Direktor der Caritas der Diözese Innsbruck, weil er die Sternsinger-