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Jahr: 2007

/ Ausgabe: 2007_07-Juli.pdf

- S.7

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- 559 -

direkt zu sagen, wirken diese Pillen wie
eine Droge.
Andere Möglichkeiten, diese Krankheit zu
behandeln, sind stationäre Aufenthalte,
Schlaftherapien oder therapeutische
Gespräche. Das Risiko, an einer Depression zu erkranken, liegt zwischen 15 %
und 20 %. Allein in der Stadt Kufstein
wären das 40 bis 75 Menschen pro Jahr.
Erschreckend ist, dass nur die Hälfte der
Betroffenen ärztliche Hilfe aufsucht. Dies
ist sehr wichtig, denn auch mit Tabletten
können Rückfälle auftreten.
Ich war 12 Jahre alt, als ich erfuhr wie
krank meine Mutter ist. Damals war mir
nicht bewusst, wie schlimm sich diese
Krankheit auf die Person meiner Mutter
auswirkt. Mit der Zeit bekam ich immer
mehr davon mit und ich musste akzeptieren, dass meine Mutter psychisch krank
ist. Wenn man psychisch krank hört, denkt
man an Personen, die sich nicht im Griff
haben oder einfach nur durchdrehen.
Aber, meine Mama ist nicht so, sie hat
einen Beruf, ist Mutter von drei Kindern
und ein sehr fröhlicher Mensch. Doch
einmal im Jahr wird sie zu einer anderen
Frau. Sie ist dann so ängstlich und voller
Hass. Ganz anders als meine Mama. Ihr
fällt es sehr schwer, darüber zu reden,
doch sie erklärte mir ihre Version und
Situation. Sie meint, es ist wie ein Loch,
wie ein schwarzes Loch. Sie kann nur
noch schlechtes sehen und alles wirkt nur
noch böse. Die Dinge, die ihr Spaß
machen, wie z. B. lesen, joggen oder
wandern, kann sie plötzlich nicht mehr. Sie
glaubt, ihr Leben ist nicht mehr lebenswert
und sucht sich ein Mittel um alles zu
vergessen. Sie legt sich ins Bett und
versucht den grausamen langen Tag zu
überschlafen.
Ich hasse diese Krankheit, diese Person,
die so anders ist als meine Mama. Schon
so oft blieb ich von der Schule zu Hause,
nur um zu achten, dass sie sich nichts
antut. Trotzdem versuche ich sie zu
verstehen und ihr zu helfen. Der
schlimmste Moment in meinem bisherigen
Leben war, als mir meine Großmutter von
dem Selbstmordversuch meiner Mutter
erzählte. Ich war noch sehr klein und
bekam zum Glück nichts mit, doch im
Nachhinein stimmt mich diese Verzweiflung sehr nachdenklich.
GR-Sitzung 12.7.2007

Meine Mama hat diese Krankheit zwar nur
einmal im Jahr, im Frühling oder Herbst,
über etwa einen Monat. Trotzdem
durchquere ich einmal im Jahr die Hölle.
Mein Fühlen in dieser Zeit ist unbeschreiblich. Meine Mama ist meine beste Freundin. Es ist schrecklich, ständig den
Gedanken zu haben, nur einmal kurz nicht
da zu sein und meine Mama, meine beste
Freundin ist weg. Sie würde mir so fehlen.
Auch meine Familie hat mit dieser Last zu
kämpfen. Mein Vater versteht sie nicht. Er
kann sich nicht in ihre Situation versetzen.
Es fällt ihm, glaube ich, sehr schwer, diese
Krankheit als eine solche zu akzeptieren.
Mit seiner Missachtung, seinem oft
verständnislosen Verhalten, wächst in ihr
der Druck oder das Gefühl zu schwach zu
sein. Meine Großmutter und nähere
Verwandte versuchen zu helfen, doch
auch sie können nicht wirklich verstehen.
Sie wollen sie mit Druck und Schuldzuweisungen aus dem depressiven Verhalten
bringen. Sie zwingen gerade auch uns
Kinder stark zu sein.
Lange habe ich versucht, meiner Mutter
klar zu machen, wie wichtig ihr Leben ist
und wie sehr ich sie brauche. Im August
letzten Jahres gab es eine wichtige
Veränderung. Mein Vater und ich brachten
sie in eine Klinik und bald merkten wir, wie
schlimm es ist allein zu sein. Tag und
Nacht habe ich sie vermisst. Stunden
haben wir telefoniert und ich habe sie
davon überzeugt, dass es Sinn macht zu
leben. Sie hat es geschafft. Nach einer
Schlaftherapie hat sich ihr Zustand
verbessert und nun hoffen wir, dass es zu
keinen Rückfällen kommt.
Ich bin stolz auf meine Mutter, sie ist eine
sehr starke Frau. Mir wurde zum ersten
Mal klar, was in ihr steckt. Sie hat mir
gezeigt, wie wichtig es ist, an jemanden zu
glauben und immer weiter zu machen.
Durch sie habe ich erkannt, wie man es im
Leben vielleicht schaffen könnte. Durch
sie und gerade auch durch diese Krankheit bin ich zu dem Menschen geworden,
der ich heute bin.
Mit meiner Rede möchte ich kein Mitleid
erregen. Mir geht es darum, Menschen
nicht zu verurteilen, nur weil sie krank
sind, denn was zeichnet einen gesunden
Menschen aus? Es gibt keinen Grund,